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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Kamera sichtete, wunderte er sich, was da auf den Bildschirm kam: das Muster eines Hubschrauber-Sitzes. Zwölf Minuten lang.

Pele und die Vergangenheit

    Ich kann mir denken, dass Puristen schon die längste Zeit unruhig in ihren Sesseln wetzen, weil ich erzähle, was wir IN Hawaii erlebt haben. Muss es nicht AUF Hawaii heißen? Wo es sich doch um Inseln handelt und sogar die Hohlköpfe von RTL-2 wissen, dass man Strandorgien nicht IN Ibiza feiert, sondern immer nur AUF?
    Liebe Puristen, Sie können Ihren Hintern wieder ruhig stellen, denn im Falle von Hawaii ist beides richtig, IN und AUF, allerdings mit einem wesentlichen Unterschied in der Bedeutung: Wer »in Hawaii« sagt, meint damit Hawaii als Ganzes, den fünfzigsten amerikanischen Bundesstaat, egal, von welcher der sieben Hauptinseln die Rede ist; war er jedoch »auf Hawaii«, dann ist damit nur und ausschließlich die INSEL Hawaii gemeint, die größte und südlichste der Kette, 600 Kilometer südlicher als Miami und bei 20 ° nördlicher Breite das Südlichste überhaupt, was die USA zu bieten haben.
    Wir waren bisher IN Hawaii und fliegen jetzt weiter, AUF Hawaii.
    Die Einheimischen ersparen sich dieses Durcheinander, indem sie darauf verzichten, die Insel Hawaii beim Namen zu nennen; sie heißt hier einfach Big Island , die große Insel, und das stimmt auch: Sie ist doppelt so groß wie alle übrigen Hawaii-Inseln zusammen. Geologisch ist sie die jüngste, und das bedeutet: Sie ist die einzige, auf der die Vulkantätigkeit noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Durch den ständigen Lavafluss an der Küste wird sie sogar jedes Jahr um ein paar hundert Quadratmeter größer. Vulkane, erloschen wie tätig, prägen die Landschaft, eine Begegnung mit Pele, der Feuergöttin, ist unvermeidbar.
    Pele ist die Tochter der Erdmutter Ha’ume’a und des Himmelsvaters Wake’a. Ursprünglich beherrschte sie die gesamte Inselkette mit ihren Feueröfen, doch ihre boshafte Schwester, die Göttin des Meeres, füllte Wasser in die Vulkane und löschte damit Peles Brand — bis auf den letzten, dem Kila’u’e’a im Süden der großen Insel. Dort wohnt sie heute noch, und es ist mehr als verständlich angesichts ihrer schlimmen Erfahrungen, dass sie diesen winzigen Rest ihres Reiches hartnäckig verteidigt: Wer auch nur ein einziges Lavasteinchen mitnimmt, den verfolgt sie bis ans Lebensende mit Unglück. Und wenn ihr was nicht passt, dann schürt sie den unterirdischen Herd und schickt Tod und Verderben übers Land — zuletzt 1990, als glühende Lava mitten durch die Ortschaft Kalapana strömte und sie fast völlig zerstörte.
    Es ist daher wichtig, sich mit Pele gut zu stellen. Wer in den schwarzgrauen Wüsten aus Asche, Lava und rauchenden Schwefelkaminen vom markierten Weg abweicht, sieht immer wieder kniende Menschen, die Blütenkränze auf Steinhaufen legen. Manchmal leeren sie auch eine Gin-Flasche darüber aus, denn Pele liebt Gin, und wenn Pele säuft, spuckt sie nicht. Ganz zum Unterschied von mir, bei dem das genau umgekehrt abläuft.
    Eindrucksvoller noch als der Besuch in Peles glühendem Reich war für mich ein erloschener Vulkan: Mauna Kea im Norden der Insel, mit 4200 Metern nicht nur der höchste Gipfel der Hawaii-Inseln, sondern auch höher als alles, was wir in Europa haben. Der Blick von dort oben reicht weit in die Ferne und noch viel weiter in die Vergangenheit. Denn hier oben steht das Keck-Observatorium, eine der zwölf großen internationalen Sternwarten, die wie halbierte Rieseneier außerirdischer Vögel auf dem Hochplateau des Gipfels kleben.
    Der Vulkankegel bietet die ideale Voraussetzung für die Himmelsforschung: keine störenden Lichtquellen in der Umgebung und fast das ganze Jahr hindurch kristallklare Nächte. Das Superteleskop von Keck hat eine unvorstellbare Leistungskraft: Es kann Sternenlicht empfangen, das bis zu dreizehn Milliarden Jahre durch das All gereist ist — oder, auf irdische Verhältnisse übertragen: Mit dem Auflösungsvermögen von Keck könnte jemand von Bagdad aus mitlesen, wenn Sie dieses Buch in Berlin in der Hand halten. Also aufpassen, wenn Sie so was nicht mögen.
    Touristenprospekte in Amerika sind vorsichtig wie ein Altenpfleger. Damit sich nur ja niemand hinterher beschweren oder gar Schadenersatz dafür fordern kann, dass die Luft in 4000 Meter Höhe dünner ist als unten, wird jedes mögliche Risiko nicht nur aufgezählt, sondern auch gewaltig übertrieben: Wie man sich dem Gipfel nähert (langsam und

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