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Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Tropennacht unter dem Äquatorhimmel von der Ewigkeit träumte und plötzlich durch Techno-Wummern in die irdische Hölle zurückgestoßen wird, gnadenlos hämmernd bis vier Uhr früh, der weiß, wie gern und schnell man bereit ist, zum Mörder zu werden).
    Natürlich flog ich nie allein, sondern mit einem Profi an meiner Seite, denn ohne Navigationshilfe zwischen Steppe und Bergen jene Sandpisten zu finden, die auf der Karte falsch oder gar nicht eingezeichnet sind, hatte uns in der deutschen Flugschule niemand beigebracht. Und viel wichtiger noch: Das Wissen, ob es dort Sprit für den Rückflug gibt.
    Wie es der Zufall will, war Sam, mein kenianischer Flugprofi, der gleiche Pilot, der zuvor bei den Außenaufnahmen für den Film Jenseits von Afrika die Maschine von Robert Redford geflogen hatte. Wir flogen über die gleichen Landschaften, die gleichen Strecken, die diesen Film so eindrucksvoll machen, im Tiefflug natürlich, und damit Sie nicht glauben, ich übertreibe: Ich habe einen prominenten Zeugen dafür, Reinhold Beckmann, der mal mein Gast in Kenia war und den ich in Nairobi mit in ein kleines Flugzeug zwang.
    Nur wenige Kilometer westlich der Hauptstadt fällt das Hochland von Nairobi dramatisch in den afrikanischen Graben ab, über tausend Meter tief. Am Rand zwischen der Kühle der Berge und der Wüstenhitze im Tal entfacht die Äquatorsonne heftigste Thermik, mit Turbulenzen, die eine kleine Cessna in einen bockigen Rodeo-Stier verwandelt. Reinhold, der alles über Fußball weiß, aber nichts über das Fliegen, gab hinterher ausschließlich mir die Schuld für den unruhigen Ritt — angeblich stehen ihm heute noch die inzwischen weniger gewordenen Haare zu Berge, wenn man ihn darauf anspricht. Deshalb hier noch mal schriftlich, lieber Reinhold: Afrikas Thermik, nicht meine Flugkunst war der Grund, dass du nach der Landung zum Papst geworden bist und den Boden geküsst hast.
    Ich hatte begonnen, Annas Leben zu verändern, in bester Absicht, aber stets mit Auswirkungen, die ich so nicht erwartet hatte. Ich stattete ihre Schulklasse, die bisher auf dem Boden saß, mit Bänken aus — und erweckte dadurch den Neid der anderen Klassen, die weiterhin auf dem Boden hocken mussten. Schlimmer noch: Für Anna hatte der Tischler zu meinem Andenken eine besonders noble Bank geschnitzt, so dass sie nunmehr auf einer Art Edelpranger saß und zusätzlich auch noch von den Mitschülern ihrer eigenen Klasse angefeindet wurde.
    Für Annas Mutter hatte ich einen Marktstand zimmern lassen, damit sie sich selbstständig machen konnte. Leider gab es dabei ein Missverständnis: Sie verbrauchte alle Waren, die sie eigentlich verkaufen sollte, selber, und als nichts mehr übrig war, verfeuerte sie den Stand als Brennholz. Und genauso, wie die westliche Spendenpolitik Staatspräsident Moi korrumpiert hatte, brachte ich auf kleinster Ebene einen armen Lehrer in schwere Versuchung, Annas neuen Projektleiter.
    Er hieß Mr Fondo, war dick und gemütlich und hatte fünf kleine Kinder. Ich lud ihn ein paar Mal zum Essen ein und freute mich über seinen Appetit: zwei Hähnchen und einen Topf Reis dazu, manchmal auch eine Riesenportion Ugali, den Polenta-ähnlichen Maisbrei, Kenias Nationalgericht. Zwischen den Hähnchenteilen erzählte er mir von seinem Dorf (»Es gibt kein sauberes Trinkwasser, man muss es teuer beim Krämer kaufen oder fünf Kilometer von den Hügeln holen«), von den lokalen Verkehrsregeln (»Nach einem Unfall muss man Fahrerflucht begehen, denn in der ersten Erregung wird nicht nach der Schuld gefragt, sondern der Verursacher totgeschlagen«), von den Giriama (»Nominell sind sie Christen, aber während ihrer Begräbnisfeiern flippen sie komplett aus, da darf dann jeder mit jeder«), vom Los der kenianischen Lehrer (»beschissen«) und natürlich von Anna (»Sie ist keine Giriama, sondern vom Stamm der Kamba, und da heißt es gut aufpassen, denn die haben den Teufel im Leib«).
    Mr Fondo war zunächst ein gewissenhafter Vormund Annas und ein willkommener Gesprächspartner bei meinen Besuchen, doch allmählich begann er, sich selber als mein Patenkind unterzuschieben, ein bisschen wie ein Kuckucksjunges, das ja auch zwanzigmal größer und schwerer ist als das von ihm verdrängte Küken, ohne dass die blöden Eltern das merken. Er bat mich um Reisegeld, auch wenn ich zu ihm gefahren war, oder brauchte ein Taschenradio, um mir »die aktuelle politische Lage zu erklären«, wie er es schlüssig begründete, und wenn

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