Feuersturm: Roman (German Edition)
Als sie ihm näher kam, meinte sie beinahe, sie würde es zischen hören.
Katie stand da, in eine Diskussion mit den anderen verwickelt, und erblühte in einem heiteren, türkisfarbenen Feuer. Jules gestikulierte neben ihr, sagte etwas, und war umgeben von einem strahlenden, goldenen Licht, das Anya sonderbar tröstlich empfand. Max, gleich neben ihm, erstrahlte in einem knisternden, orange-goldenen, dynamischen Leuchtfeuer.
Brian stand mit vor der Brust verschränkten Armen ein wenig abseits. Anya streckte die Hand aus, um ihn zu berühren. Während die anderen in hellen, lebendigen Farben leuchteten, war seine Aura trüb. Grüne und schwarze Flecken verpufften in einem wirbelnden, chaotischen Durcheinander. Als sie seine Haut berühren wollte, glitt ihre Hand einfach hindurch, als wäre sie ein Gespenst.
Charon legte Anya eine Hand auf die Schulter, und sie erschrak. Sein Griff fühlte sich fest an.
»Warum kann ich ihn nicht berühren?«, fragte sie. »Und warum kannst du mich berühren?« Sie war nicht davon überzeugt, dass sie diese neue Rollenverteilung mochte.
»Auf dieser Ebene bist du im Wesentlichen ein Geist und unterliegst den gleichen Gesetzen wie die Geister. Du kannst keinen Einfluss auf die physische Welt nehmen. Aber die Dinge der astralen Ebene können mit dir interagieren.«
»Was sehe ich?«, flüsterte Anya und musterte blinzelnd Brians verschwommene Aura.
»Nachbilder. Die astrale Welt ist eine siderische Ebene – sie existiert parallel zur physischen Welt. Die Welten überschneiden sich, wenn Energie in Bewegung gerät, ob es nun die Energien der Gedanken, der Erinnerungen oder des Lebens selbst sind.«
Anya blickte auf. Die Bar selbst zeigte sich in diversen Grauschattierungen, aber sie sah nicht so aus, wie sie sie in Erinnerung hatte. Gemälde hingen über Tischen, die vorher nicht da gewesen waren. Die Fenster waren nicht geschwärzt oder verbarrikadiert, sondern bestanden aus Buntglas. Sogar die Türgriffe schienen aus einer anderen Ära zu stammen.
»Das ist die Erinnerung des Gebäudes an sich selbst. Wenn Menschen von Restspuk sprechen, reden sie eigentlich über die energetischen Eindrücke, die sich im Lauf der Zeit auf einen Ort niedergeschlagen haben, hinterlassen von den Menschen, die ihn durchwandern und ihre Gedankenenergie auf ihn konzentrieren. Manchmal dringen tiefere Eindrücke direkt hindurch zu den anderen Ebenen. Fast so, als würdest du einen Stift kraftvoll auf ein Stück Kohlepapier drücken, sodass das Bild auf die darunter liegende Schicht übertragen wird.«
Anya sah sich zu dem Geist der Zwanziger-Jahre-Schönheit um. »Renee, ist das unsere Welt, wie du sie siehst?«
Die Geisterfrau nickte, und ihre Federohrringe flatterten von ihren Schultern. Sie berührte einen Hocker mit einem dicken, lederbezogenen Polster. »Das ist die Welt, wie ich mich an sie erinnere. Manchmal denke ich, ich bin die Einzige, die das tut.«
Anya wandte sich wieder an Charon. »Wir müssen Hope finden. Ich hab die meisten Geister, die sie gefangen hielt, freigelassen, aber sie hat die Büchse der Pandora. Und sämtliche Geister aus dem Museum.«
Charon setzte eine besorgte Miene auf. »Das sind alte Geister. Machtvolle Geister. Mit ihnen dürfte sie kampfbereit sein.«
»Wie können wir sie finden?«
»Es gibt nur einen Ort in der Stadt, den alle Geister passieren. Dort sollten wir ihre Spur aufgreifen können. In der Michigan Central Station.«
Anyas Brauen ruckten unter dem Helm aufwärts. »Die ist schon seit Jahrzehnten geschlossen.«
»Sie ist für Menschen geschlossen, aber nicht für uns.« Charon zeigte zur Tür. »Komm mit, ich zeige es dir.«
Zögernd folgte ihm Anya zur Tür des Devil’s Bathtub hinaus. Als sie auf die Straße trat, keuchte sie auf und blieb wie angewurzelt stehen. Sparky rannte gegen die Rückseite ihrer gepanzerten Beine und grollte beleidigt.
Sie hatte erwartet, das zu sehen, was sie immer zu sehen bekam: eine zentrumsnahe Straße mit rissigem Asphalt, Verkehr, Telefonmasten, vielleicht noch ein wenig Abfall oder einen geparkten Wagen, geschmückt mit diversen Strafzetteln. Aber diese Straße hier war beinahe verlassen und zog sich dahin wie ein schwarzes Band, wand sich entlang an Gebäuden aus den verschiedensten Epochen: aus den 1920ern, den 1930ern und diversen anderen Zeiten. Durch ein offenes Fenster hallten Fetzen von Jazzmusik, und ein Modell T brauste die Straße hinunter. Ein Baum, der sich in einem prachtvollen Absinthgrün
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