Feuersturm: Roman (German Edition)
nehmen sie uns das Haus weg. Aber so ist es in Ordnung. Wirklich.«
Anya beugte sich vor. »Dieses Mal bitten die Sie um eine Niere. Und beim nächsten Mal? Was, wenn sie irgendwann, na ja, eine Leber brauchen? Oder Knochenmark?«
Chris’ Kiefermuskulatur arbeitete. »Das ist ein Pakt mit dem Teufel. Und das ist das Haus nicht wert. Wir werden ihnen sagen, dass wir das nicht mitmachen. Wir ziehen wieder zu meiner Mutter …«
»Nein«, fiel ihm Leslie erstaunlich grimmig ins Wort. »Dieses Haus ist unser Traum. Ich werde es nicht einfach aufgeben.«
»Es ist keine Niere wert, Babe. Ist es nicht wert, dass du seinetwegen ausgeschlachtet wirst.«
»Leslie, Hope Solomon ist kein guter Mensch. Vertrauen Sie mir. Ich habe Einblick in einige ihrer Angelegenheiten bekommen … und ich kann Ihnen verraten, dass sie nicht fair spielt.« Anya wünschte, sie könnte die Naivität einfach aus der Frau herausschütteln. »Die hat Leichen im Keller, und sie ist eifrig dabei, noch ein paar mehr einzulagern. Werden Sie nicht ihr nächstes Opfer.«
Leslie fixierte sie mit einem traurigen Lächeln. »Ich glaube nicht, dass wir aus der Sache noch herauskommen könnten.«
»Es gibt immer einen Ausweg«, beharrte Anya. »Immer.«
Ein energisches Klopfen ertönte an der Küchentür, und Brian schaute zu ihnen herein. »Nebenan ist alles bereit.«
Jules rutschte mit seinem Stuhl zurück, und die Füße kreischten auf dem Boden. »Lösen wir ein Problem nach dem anderen. Heute sind wir hier, um herauszufinden, wie wir Sie davon abhalten können, bei Ihren Nachbarn herumzuspuken. Und morgen werden Sie beide mich begleiten und bei mir unterkommen.« Er sagte das so kategorisch, als hätte er soeben eine unanfechtbare Tatsache verkündet, etwas wie: Die Erde dreht sich einmal in vierundzwanzig Stunden um die eigene Achse.
Leslie schüttelte den Kopf. »Das ist sehr nett von Ihnen, aber wir müssen ablehnen.«
»Unsinn. Morgen früh packen wir Ihre Sachen zusammen. Meine bessere Hälfte und ich haben ein Gästezimmer. Solange es Ihnen nichts ausmacht, über Kinderspielzeug zu stolpern, sind Sie da gut untergebracht.« Jules verschränkte die Arme vor der breiten Brust.
»Leslie.« Chris legte seine Hand auf die seiner Frau. »Wir können nicht hierbleiben. Du weißt es, und ich weiß es. Auf die eine oder andere Art müssen wir hier weg. Und zwar, solange du noch beide Nieren hast.«
Leslies Lippen bebten, und sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Chris stand auf, um ihr ein Taschentuch zu holen.
Anya blickte zu Jules auf. »Das ist wirklich nett von dir.«
»Das ist eine christliche Pflicht.« Er zuckte mit den Schultern, und seine Lippen wurden schmaler. »Meine Frau und ich haben für unser erstes Haus eine Menge Opfer gebracht. Zweit- und Drittjobs, massenweise Überstunden, Motoren reparieren, kellnern. Das ist die Art Opfer, mit denen man rechnen muss: harte Arbeit, Schweiß … Aber niemand sollte dazu genötigt werden, mit seinem Fleisch und Blut zu bezahlen.«
»Nein.« Leslie drehte sich zu Chris um. »Wir müssen tun, was wir können, um das Haus zu retten. Wir bleiben hier.«
Chris wandte den Blick ab.
»Versprich es mir«, verlangte sie mit eiserner Stimme.
Chris beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. »Okay. Ich tue, was immer nötig ist. Aber das tue ich für dich, nicht für Hope oder einen ihrer Leute. Wir finden einen Ausweg, und wir werden das Haus behalten.«
Anyas Hände ballten sich unter dem Tisch zu Fäusten. Sie wusste, dass Hope mehr als nur Fleisch und Blut forderte. Sie forderte Seelen.
Die Nacht zog sich dahin. Für Anya hatten diese Nächte große Ähnlichkeit mit Observierungen: lange Stunden der Inaktivität und Langeweile, nur unterbrochen durch Kaffee- und Pinkelpausen. Wenn sie Glück hatten, würden sie rein zufällig einen Beweis aufstöbern, dem sie dann nachgehen konnten. Wenn nicht, hatten sie es als kolossale Zeitverschwendung zu verbuchen.
Leslie schlief in ihrem Bett in einem Nest aus Kabeln und Technikzeug mit roten LED-Lämpchen, das Brian an ihre Haut geklebt hatte. Brian sagte, die Gerätschaften dienten dazu, ihre Atmung, die Schlafphasen sowie elektromagnetische Felder zu kontrollieren. Eine Videokamera mit starren roten Augen war auf ihrem Nachtschränkchen aufgestellt worden in der Hoffnung, sie könnten den Moment einfangen, wenn Leslie ihren Körper verließ.
Chris schlief auf der Couch, weit weg von den technischen Geräten. Er hatte die tätowierten
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