Feuersturm: Roman (German Edition)
wickelte sich ab und blieb stets bei ihr wie der Sicherungsfaden einer Spinne.
Anya folgte der Doppelgängerin auf den Flur hinaus. In der Küche hielt die Gestalt vor dem Kühlschrank inne. Brian beobachtete sie, ohne dabei den Monitor aus dem Auge zu lassen. Anya konnte über seine Schulter hinweg sehen, dass die vier Linien, die, wie er erklärte, den REM-Schlaf ankündigen sollten, unberechenbaren Schwankungen unterlagen. Anya fragte sich, ob Leslie von Käsekuchen träumte, von Eis oder irgendeiner anderen lockenden Versuchung im Kühlschrank.
Ohne Vorwarnung drehte sich Leslies Doppelgängerin um und ging geradewegs durch die Küchenwand. Anya hastete los, um sie nicht zu verlieren, schlüpfte durch die Hintertür der Küche hinaus ins Freie und wäre beinahe über eine Topfpflanze gestolpert. Sie sah Leslie durch das feuchte Gras zum Haus der Nachbarn gleiten. Kurz warf sie einen Blick auf die Videokamera. Ein weißer Fleck zeigte sich in der Mitte des Displays und hüpfte auf und nieder, als sie lossprintete, um die Doppelgängerin einzuholen.
Ohne ihre physische Umgebung auch nur wahrzunehmen, bog Leslie um die Ecke des Nachbarhauses, und der Silberstreif der astralen Leine flatterte hinter ihr her. Anya schloss aus der Richtung, die sie eingeschlagen hatte, dass sie im Wohnzimmer im Erdgeschoss des Hauses wieder auftauchen würde. Sie lief die Stufen der Veranda hinauf und öffnete die Vordertür.
Leslies Doppelgängerin wirkte verwirrt. Sie drehte sich im Wohnzimmer um die eigene Achse, Arme und Finger abgespreizt. Anya sah Jules und Max aus der Küche kommen. Ihre Geräte zur Messung elektromagnetischer Felder waren aufgeladen und einsatzbereit. Die drei Geisterjäger umzingelten die Erscheinung, sahen zu, wie sie scheinbar orientierungslos mit den Armen ruderte. Anya konnte nicht erkennen, was den Geist so aufregte; er wirkte wie ein stummer Falter, der gerade dabei war, sich die Flügel an einer Glühbirne zu versengen.
Jules aktivierte sein Walkie-Talkie. »Was passiert da drüben mit Leslie?«
»Atmung und Puls erhöht. Stark erhöht.« Im Hintergrund war ein hektisches Piepen zu hören. »Holt sie zurück, oder wir müssen einen Krankenwagen rufen.«
Anya streckte die Hand nach dem Geist aus. »Leslie? Können Sie mich hören?«
Leslies Doppelgängerin schüttelte sich wild um sich schlagend im Äther. Das Silberband wickelte sich um ihren Leib und spannte sich. Ihre Lider öffneten sich flatternd, und Anya war überzeugt, der Anblick der physischen Welt, der in ihre Trance eindrang, würde sie wie zuvor so sehr erschrecken, dass sie zurück in ihren Körper getrieben wurde.
Aber so war es nicht. Ein dumpfes Grollen ertönte an der Decke, und ein Loch tat sich über ihr auf. Anyas Finger glitten durch den Geist hindurch; es war, als versuchte sie, Rauch festzuhalten. Anya bemerkte Brandgeruch jenseits des beißenden Gestanks der Magie.
»Leslie!«, schrie sie.
Leslies Doppelgängerin wurde in die Decke gesogen. Anya griff nach dem Silberband, das sie mit der Realität verknüpfte, aber es glitt ihr durch die Finger, riss und wurde ebenfalls in die Decke gesogen wie eine Schleife in einen Staubsauger.
Die Decke schloss sich, härtete aus, und Anya stand mit leeren Händen auf dem Boden des Wohnzimmers.
»Was zum Teufel ist hier passiert?« Max umklammerte seinen EMF-Messer.
Anya drehte sich auf dem Absatz um und schnüffelte. »Hier brennt was … riecht elektrisch.«
»Da.« Max riss das verschmorte Kabel einer Lampe aus der Steckdose. Die Fassung war geschwärzt, der Lampenschirm angesengt. Er zerrte ihn aus seiner Verankerung und warf ihn in die Küchenspüle, wo er ihn mit Hilfe der Brause ersäufte.
Jules Walkie-Talkie knisterte. »Wir brauchen hier Erste Hilfe. Sofort.«
Anya schoss zur Tür hinaus. Ihr Herz donnerte in der Brust, als sie durch das taufeuchte Gras zum Haus der Carpenters zurückrannte. Am Bordstein sah sie Katie stehen, bereit, den Krankenwagen in Empfang zu nehmen, dessen Sirene in der Ferne zu hören war. Jenseits der schweren Ausdünstungen der Magie roch Anya Rauch.
Katie zeigte auf das Haus. »Leslie.«
Anya riss die Tür zur Küche von Chris und Leslie auf. Aus einem der Schlafzimmer im hinteren Bereich des Hauses hörte sie Geschrei. Die Linien auf dem Monitor, der das Polysomnogramm anzeigte, zeigten keinerlei Ausschläge mehr, und sie hörte das Gerät piepen, als sie um die Ecke schlitterte. Rauch sammelte sich unter der Decke, und sie fühlte die
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