Feuersturm: Roman (German Edition)
verschränkte die Arme vor der Brust. »Aus purer Neugier? Oder zur praktischen Anwendung?«
Brian antwortete mit einem unergründlichen Schulterzucken, das typisch für ihn war. »Was ich mit ALANN gemacht habe, erfordert massenhaft Computerkapazitäten auf mehreren Servern. Wenn das Speicherproblem mit Hilfe eines holografischen Datenspeichers gelöst werden könnte … Scheiße, dann könnte ich mit einer ganzen Armee von ALANNs arbeiten.«
»Schafft das nicht ein ethisches Problem? Ich meine … die Idee, ein künstliches Gehirn mit dem Ich-Bewusstsein Verstorbener nachzuempfinden, bereitet mir Bauchschmerzen.« Anyas Blick huschte zurück zu dem Monitor. Es fühlte sich seltsam an, über ALANN zu reden, als wäre er nicht da. »Tut mir leid, ALANN.«
»Mir nicht. Tot ist tot«, sagte Brian. »So wie ich das sehe, verlierst du weitgehend deine Rechte, wenn du aufhörst zu atmen.« Werkzeuge klapperten unter dem Schreibtisch.
Anya runzelte die Stirn. »Da bin ich nicht so sicher. Die Geister, die wir sehen … viele von ihnen haben ein Bewusstsein. Sie haben Gefühle.«
»Ja. Aber sie sind nicht lebendig.«
Anya schüttelte den Kopf. »Trotzdem haben sie eine gewisse Rücksicht verdient.«
»Du willst doch nicht behaupten, sie hätten die gleichen Rechte wie lebende Menschen, oder? Ich meine, wenn du das tätest … du könntest nicht Richter sein, nicht Jury und nicht Henker, nicht wahr?« Sein Ton klang milde, doch Anya fiel eine gewisse Anspannung in seiner Stimme auf.
»Ich weiß nicht, was ich denken soll.« Sie rieb sich die Arme, fröstelte angesichts der zusätzlichen Klimageräte, die die Serverumgebung kühlen sollten, und der Leerstelle in Brians ethischem Wertekatalog. Sie wandte sich ab, blickte hinab auf den Monitor. Der weiße Cursor blinkte und schrieb:
Lassen Sie mich bitte da raus.
Erschrocken wich Anya einen Schritt zurück und sah sich zu Brian um, doch der konzentrierte sich gerade voll und ganz auf einen Kabelkraken, der über den Rand seines Schreibtischs trudelte.
ALANN löschte mit der Rückschrittfunktion sorgfältig jedes seiner letzten Worte.
Anya streckte die Hand aus, wollte den Monitor berühren. Ihre Gedanken überschlugen sich. Mist. War ALANN da drin gefangen? Wie die Geister in den Reliquienbehältern? Gefangen durch Wissenschaft, nicht durch Magie?
»Würdest du sagen, Sparky hat ein Bewusstsein?«, fragte Brian.
»Na ja, sicher.«
»Aber du hältst ihn mehr oder weniger an der Leine, und er tut, was du willst.«
»So ist das nicht«, protestierte Anya. »Es ist …« Sie hatte sagen wollen, es sei intimer, vertrauter , aber plötzlich hörte sich das alles falsch an.
»Jedenfalls ist das keine Beziehung auf Augenhöhe.«
»Das liegt daran, dass er nicht reden kann.« Anyas Lippen wurden schmal. Brian hatte Sparky nie gesehen und wusste nichts über seine Persönlichkeit.
»Du vermenschlichst ihn, ist dir das klar?«
»Er ist mein Beschützer.« Anyas Stimme bebte vor Ärger. »Er hat mich mein Leben lang behütet. Wenn überhaupt, dann bin ich ihm etwas schuldig, nicht umgekehrt.«
Brians Kopf lugte unter dem Schreibtisch hervor. »Hör mal, ich wollte dich nicht kränken, aber das Thema lohnt eine ernsthafte Diskussion …«
Anya schüttelte den Kopf. »Ich brauche Schlaf. Wir unterhalten uns später.«
Sie schnappte sich ihre Tasche und verließ das Labor ohne einen Abschiedskuss für Brian. Ihre Schritte hallten durch die labyrinthartigen Gänge der technischen Ebene unter der Universität. Fluoreszierendes Licht lockte Insekten in die Betongänge, die in dem trüben Lichtschein winzige Schatten an die Wände warfen. Eine Gottesanbeterin hatte sich einen Weg herein gebahnt, thronte nun auf dem Ausgangsschild und wartete auf ihre nächste Mahlzeit.
Was Brian über Sparky und die Geister gesagt hatte, tat weh. Anya griff in ihre Tasche, um die Molchkamera zu aktivieren.
»Sparky anrufen«, grummelte sie.
Das Display flackerte auf, und Anya wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. Sparky stand hoch aufgerichtet über seinen Eiern, und aus dem Lautsprecher erscholl ein tiefes Knurren. Sein rotorangefarbener Wärmebildschwanz peitschte hin und her, und die gelben Augen blitzten etwas über ihm an, etwas, das sich außerhalb des Aufnahmewinkels befand.
Anya stopfte das iPhone zurück in die Tasche und fing an zu rennen.
»Halte durch, Sparky.«
Ich hätte ihn nie allein lassen dürfen.
Die Waffe in der Hand, platzte Anya ins Haus. Ein Hitzeflimmern
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