Feuersturm: Roman (German Edition)
knarrten. Die Renovierung, die Hope dem Gebäude hatte angedeihen lassen, war nicht bis hierher vorgedrungen: Institutionelle grüne Farbe blätterte von den Wänden ab. Eisblumen glitzerten auf der alten Farbe. Durch ein Oberlicht fiel flackerndes Licht auf den Inhalt des Kellerraums. Staubige Holzpaletten stapelten sich planlos bis unter die Decke und teilten sich den Raum mit kaputten Büromöbeln und Papierabfällen.
Es war kalt hier. Zu kalt. Anya konnte ihren Atem sehen, als sie auf den Betonboden trat. Hier unten war es locker dreißig Grad kälter als oben. Es war, als hätte sie den Kühlraum eines Restaurants betreten. Rohre unter der Decke verbreiteten ein leises Pochen. Man hatte sie mit Isoliermaterial umwickelt, um sie vor dem Einfrieren zu schützen, dennoch war hier und da ein Eiszapfen zu sehen.
Und sie fühlte die Magie hier unten.
Anya richtete den Lichtstrahl ihrer Lampe auf die hinterste Ecke des Kellers, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Industrieregale säumten die Wand, vollgestopft mit Flaschen und Gläsern aller Art. Ihr Blick verfing sich an einigen Gegenständen, die sie in Bernies Haus gesehen hatte: ein hölzerner Schädel, die filigrane, silberne Flasche, Kristallscherben, ein Schwert. Daneben fanden sich noch Hunderte anderer Gefäße von alten Cola-Flaschen über Weckgläser bis hin zu Parfümflakons.
Hopes geheimer Vorrat an Reliquienbehältern.
Ehe sie irgendetwas anrührte, schoss Anya Fotos mit ihrer Kamera. Dann griff sie zur erstbesten Flasche, einer Weinflasche mit einem Korken. Die Oberfläche war so kalt, sie brannte auf ihrer Haut. Mit dem Daumen schob sie den Korken heraus und hielt den Atem an.
Eine Rauchfahne löste sich aus der Flasche und glitt durch die Decke in das darüber liegende Stockwerk. Hopes gepeinigter Aufschrei drang gedämpft an Anyas Ohren.
Sie nahm eine Flasche nach der anderen aus dem Regal. Ihr Herz wurde leichter, während sie zusah, wie die nebelhaften Geister entfleuchten, als sie die leisen Seufzer vernahm, mit denen sie sich aus Flaschen und Gläsern befreiten. Sie roch muffige Luft und frische Aromen, einen Hauch Wodka und die säuerlichen Ausdünstungen von eingelegtem Gemüse. Sie entdeckte und öffnete Pfefferstreuer, aber auch Flakons, die einmal einen Badezusatz für Kinder enthalten hatten. Sparky kletterte in die Fächer, wühlte zwischen den Gefäßen herum und schlug nach den entfliehenden Geistern. Die Geister kehrten heim, das konnte Anya spüren. Die Magie schwand von diesem Ort, strömte davon, als hätte jemand den Stöpsel aus dem Abfluss gezogen.
Zaghafte Schritte erklangen auf den Stufen über ihr. »Hey, haben Sie da unten was gefunden?«
Anya lächelte triumphierend. »Ja. Ja, das habe ich. Tun Sie mir einen Gefallen und nehmen Sie Ms Solomon fest.«
»Beschuldigung?«
»Für den Augenblick können Sie sie wegen Besitz von Diebesgut festnehmen.« Anya kletterte die Stufen hinauf und lehnte sich an den Türrahmen, als die Uniformierten der Frau Handschellen anlegten. Hope fixierte sie mit einem mörderischen Blick.
»Das werden Sie bereuen«, knurrte sie, und der Zorn verzerrte ihre mütterlichen Züge.
»Wir werden sehen«, sagte Anya milde und folgte den Beamten, die Hope hinaus auf die Straße führten. Als sie sah, dass der Übertragungswagen von Channel 7 vor der Tür parkte und Nick Sarvos in die Kamera sprach, lächelte sie.
»Was hat die Presse hier zu suchen?«, zischte Hope.
»Jemand muss denen wohl einen Tipp gegeben haben.« Anya zuckte die Achseln, aber innerlich strahlte sie.
Die Uniformierten führten Hope zu einem wartenden Streifenwagen. Ein Polizist öffnete die Hintertür und legte Hope die Hand auf den Kopf, um zu verhindern, dass sie sich beim Einsteigen am Türrahmen verletzte.
In diesem Moment erhaschte Anya einen Blick auf etwas, das aus Hopes Hemdkragen blitzte: das Schmuckstück, das sie im Fernsehen getragen hatte, die Goldkette mit der winzigen gläsernen Phiole.
Und sie erinnerte sich an Charons Worte: Du müsstest sie von all ihren Flaschen fernhalten, und dagegen wird sie bis aufs Blut kämpfen.
Erinnerte sich zu spät.
Kaum krachte die Tür ins Schloss, da ging der Streifenwagen in Flammen auf.
KAPITEL FÜNFZEHN
Anya saß in einem Krankenwagen, die Arme um ihren Molchkoffer geschlungen. Sparky thronte auf ihrer Schulter und leckte an einem Kratzer an ihrer Schläfe, den sie einem herumfliegenden Trümmerteil verdankte. Ihre Kleidung roch nach verbranntem Benzin. Trotz der
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