Feuersuende
Jacks Verhältnisse war das eine außerordentlich ausführliche Antwort. Aber vor allem legte sie damit den Finger auf einen wunden Punkt. Bryn konnte wohl die Nähe von Supernaturals orten und so eine Gefahr frühzeitig erkennen. Und was brachte das? Jemand brauchte bloß einen billigen Privatschnüffler anzuheuern und schon hatte er damit ihren Radar unterflogen. Wieso hatte sie nicht schon früher an diese Möglichkeit gedacht? Oder war sie für Gedankengänge dieser Art einfach zu naiv? Wenn das stimmte, wie konnte sie dann für die Sicherheit ihrer Tochter sorgen?
Dana stand unschlüssig da und machte keine Anstalten, das Päckchen zu nehmen, das Jack ihr hinhielt. Fragend blickte sie zu ihrer Mutter.
„Ist schon gut, Baby“, sagte Bryn. „Willst du es nicht auspacken und nachsehen, was Jack dir mitgebracht hat?“
„Gleich jetzt? Hier?“, fragte Dana verunsichert.
Natürlich war sie neugierig darauf. Aber die ganze Aufregung vorher und die Angst, die sie bei der überstürzten Flucht in die Nacht hinaus ausgestanden hatte, machten sie unsicher. Es tat Bryn im Herzen weh, dass ihre Tochter nicht einfach ein unbeschwertes Leben führen konnte, wie es sich für ein kleines Mädchen gehörte. Immer mussten sie auf der Hut sein, stets auf dem Sprung und bereit, die Flucht zu ergreifen und alles zurückzulassen. Allerdings immer noch besser als das, was ihnen sonst drohte.
„Nun mach das Päckchen schon auf“, ermunterte sie Dana. „Jacks Geschenke sind immer großartig.“ Das stimmte. Die Geschenke waren nicht das Problem. Das waren vielmehr die Fesseln, die damit verbunden waren.
Dana riss das Papier auf und reichte es Bryn, die es zusammenfaltete und einsteckte. Zum Vorschein kam ein Karton, dessen Deckel Dana vorsichtig anhob. Hörbar verschlug es ihr den Atem. „Flopsy“, flüsterte sie.
In dem Karton lag ein von inniger Liebe und täglichem Umgang reichlich mitgenommenes Plüschtier, ein weißes Kätzchen. Bryn und Dana hatten es in jener Nacht zurücklassen müssen, als Roxy Tam angerufen und sie gedrängt hatte, sofort und ohne etwas mitzunehmen ihr Haus zu verlassen.
Jack musste anschließend dort gewesen sein. Er hatte sie also offenbar schon damals im Visier. Bryn sah ihn an. Ein Schulterzucken von ihm gab die Antwort. Er hatte sie beschattet. Oder vielmehr beschatten lassen.
Wie lange ging das schon so, dass er über jeden ihrer Schritte informiert war? Und über jeden Schritt Danas? Und warum hatte er sich nicht einfach zu erkennen gegeben und das eingefordert, von dem Bryn wusste, dass er es wollte – einen Walker, der die Seelen in die Unterwelt geleitet. Wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sich bei einigen mächtigen Gottheiten beliebt zu machen.
„Schau mal, Mommy, es ist Flopsy.“ Dana nahm die Kuschelkatze aus dem Karton und drückte sie liebevoll an sich. „Sie hat mich gefunden.“
„Ja, das hat sie, mein Schatz.“
Dana sah Jack mit einem scheuen Lächeln an. „Danke“, sagte sie artig.
„Gern geschehen“, antwortete er mit einem breiten Grinsen oder doch eher einem offenen, für ihn ziemlich untypischen Lächeln, das ihn für einen Moment gar nicht mehr so bedrohlich wirken ließ.
Jack richtete sich aus seiner Hockstellung, die er für Danaeingenommen hatte, wieder auf. „Gibt es hier einen Platz, an dem wir in Ruhe sprechen können?“
„Ja, gleich hier um die Ecke.“ Bryn führte ihn auf einen Trampelpfad, der in eine kleine Parkanlage mit einem Kinderspielplatz mündete, die hinter dem Schulgebäude lag. „Du kannst ein bisschen schaukeln gehen, wenn du magst“, sagte sie zu Dana.
„Okay.“ Dana ging los und summte auf dem kurzen Weg ihrem wiedergefundenen Kätzchen etwas vor. Dann nahm sie auf einer der Schaukeln Platz, auf der sie aber nahezu regungslos sitzen blieb.
Jack sah ihr eine Weile schweigend hinterher. Dann fragte er: „Sollen wir ihr ein wenig Anschwung geben oder so was?“
„Nein, sie mag das nicht. Sie sitzt lieber still auf der Schaukel.“ Dass das früher anders war, erwähnte Bryn nicht. Als ihr Vater noch lebte, konnte es gar nicht hoch genug für sie gehen. Sie hatte gelacht und vor Vergnügen gekreischt und ihren Daddy angefeuert, ihrer Schaukel noch mehr Schwung zu geben.
Während wieder eine schweigsame Pause eintrat, konnten sie hören, wie Dana ihrem Kätzchen einen Vortrag darüber hielt, wie gefährlich es sein konnte, einfach verloren zu gehen. Bryn beherrschte sich unterdessen, nicht zu ihr zu eilen und ihre
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