Feuersuende
Schritt zurück. Am liebsten wäre sie jetzt weggerannt, hätte sich in irgendeinen Winkel verkrochen und losgeheult. Aber es gab keinen Winkel, in den sie sich hätte verkriechen können.
Lokan hatte in der Tat hin und wieder Andeutungen darüber fallen lassen, dass sein Vater ein sehr mächtiger – und sehr gefährlicher – Mann sei. Sie liefen darauf hinaus, dass er vorgab, Spross eines bedeutenden Mafia-Paten zu sein. Bryn ließ Lokan in dem Glauben, dass sie ihm das abkaufte. Hätte sie ihm verraten, dass sie wusste, dass er kein Sterblicher war, hätte sie zu viel von sich selbst preisgegeben, und das wollte sie nicht.
„Da ist noch etwas.“ Jack streckte die Hand nach ihr aus, ließ sie dann aber wieder sinken. Sie glaubte, so etwas wie Mitgefühl und Traurigkeit in seinen Zügen erkennen zu können, eine Regung, die sie noch nie zuvor bei Jack bemerkt hatte. Aber das beunruhigte sie nur umso mehr.
„Bryn …“ Jack hatte seine Stimme gesenkt. „Es war Sutekh selbst, der Lokan umgebracht hat.“
Bryn fuhr mit dem Kopf herum, um nach ihrer Tochter zu sehen. Lokans Tochter. Sie war die Nächste, auf die es der Mörder ihres Vaters abgesehen hatte.
7. KAPITEL
Niemand verschließt die Pforte vor dir, und nach dir ist der Zutritt den Verdammten verwehrt . nach dem Ägyptischen Pfortenbuch
Zugspitze, Deutschland
D agan Krayl wusste, was es bedeutete, wenn man um seine Freiheit kämpfen musste. Und das wusste auch Roxy Tam, seine geliebte Gefährtin. Als er sie zum ersten Mal sah, war sie eine Gefangene gewesen und hatte gefesselt auf einer schmutzigen Matratze im Kellerraum einer verlassenen Fabrik in Chicago gelegen. Er hatte beobachten können, mit was für einer Energie und Ausdauer sie versucht hatte, sich zu befreien.
Jetzt war sie wieder eine Gefangene. Nur befand sie sich dieses Mal nicht in der Gewalt irgendeines perversen Bastards, der vorhatte, sie erst zu vergewaltigen und dann umzubringen. Jetzt hielten ihre eigenen Leute sie fest, die Isisgarde, die Eliteeinheit der Isis, der Roxy ein Jahrzehnt ihres Lebens gewidmet hatte. Als Sohn Sutekhs gehörten Isis und ihr Gefolge für Dagan normalerweise ins feindliche Lager. Und dennoch hatte das Schicksal ihn und Roxy zusammengeführt.
Dagan war gekommen, um Roxy zurückzuholen. Und er war nicht allein gekommen. Neben ihm am Rande eines steilen, unbewachsenen Felsabhangs stand sein Bruder Malthus. Dagan betrachtete das gewaltige Bergmassiv, das sich hinter ihm erhob, schaute dann vor sich hinunter in den Abgrund. Ganz weit da unten nahmen sich die Bäume winzig aus. Da traf es sich gut, dass er absolut schwindelfrei war. Malthus liebte Situationen wie diese und beugte sich so weit vor, wie es nur ging, ohne abzustürzen. Er konnte Herausforderungen einfach grundsätzlich nicht widerstehen.
„Irgendetwas zu sehen?“, fragte Calliope Kane hinter ihnen.Sie war Roxys Mentorin in der Isisgarde gewesen und war nun mit Malthus zusammen. Gleichzeitig war sie Roxys Freundin und engste Vertraute. Dagan hatte ihr einmal das Leben gerettet, als sie und Roxy von Reapern angegriffen wurden. Zunächst hatte Dagan angenommen, die beiden Seelensammler seien außer Kontrolle geraten, bis er herausfand, dass sie im Auftrag Sutekhs handelten, der dadurch unter anderem den Mord an seinem Sohn Lokan verdecken wollte.
„Nichts, was uns interessieren könnte“, antwortete Malthus. „Wenn es da irgendwo eine Festung geben soll, spielt sie mit uns Verstecken.“
Ein eisiger Hauch machte sich bemerkbar. Dagan drehte sich um und sah, wie Alastor durch den schwarzen, rauchenden Schlund eines Portals zu ihnen trat.
„Hast du etwas über das Kind herausfinden können?“, fragte Dagan den Ankömmling.
Weil sie fürchteten, Sutekh könnte ihnen zuvorkommen, hatten sie sich gleich nach dem Treffen aller Mächtigen der Unterwelt auf die Suche nach Dana begeben. Da Lokan nun nicht mehr da war, fühlten sich die Brüder für den Schutz des Mädchens verantwortlich. Dafür mussten sie es aber erst einmal finden, und damit waren sie noch nicht einen Schritt weitergekommen.
„Es ist, als hätte sie sich in Luft aufgelöst“, erklärte Alastor. „Ich musste natürlich auf der Hut sein, um nicht noch andere auf ihre Spur zu locken. Es fehlte noch, dass jemand das Mädchen vor uns findet, der dann gleich losrennt, um den Tipp an Da…“ Alastor verstummte abrupt, als er sich dabei ertappte, dass er aus alter Gewohnheit Sutekh beinahe Dad genannt hätte. Mit den Händen
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