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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Ärger war ein schlechter Ratgeber. Er kostete nur Kraft und verwirrte die Gedanken. Lokan zwang sich selbst, die Dinge leidenschaftslos zu betrachten, sachlich zu überdenken, wie er das Beste für sich aus der Situation machen konnte, wie er es von seinem Vater gelernt hatte. Woraus konnte er in diesem Fall seinen Vorteil ziehen? Irgendetwas gewinnbringendes musste doch aus den Ereignissen dieses Tages herauszuschlagen sein.
    Ein Stöhnen, das Lokan vernahm, unterbrach seine Gedanken, und dann sah er am Fuß eines Brückenpfeilers hinter einer Schneewehe jemanden liegen. Er trat näher, und seine Laune besserte sich schlagartig.
    „Hallo, Karl“, sagte er mit einem breiten Grinsen. Blut färbte den Schnee rings um die Gestalt rot. Eine Eisenstange ragte aus Karls Bauch. Lokan blickte zur Brücke hoch und dann wieder auf den Verletzten. „Sieht aus, als seist du da runtergefallen.“
    Karl stöhnte auf. Seine Züge waren von Schmerz und Angst verzerrt. Mit einer schwachen Bewegung deutete er auf die Stange, die ihn aufgespießt hatte wie einen seltenen Schmetterling auf einer Korkplatte.
    „Dann wollen wir doch mal sehen, was ich für dich tun kann.“ Lokan beugte sich über den Liegenden, und als ihre Gesichter sich nahe kamen, konnte er den metallischen Geruch des Bluts wahrnehmen. Hoffnung glomm in Karls Augen auf.
    Lokan krümmte die Finger seiner Rechten wie Krallen, dann stieß seine Hand blitzartig vor und drang in Karls Brustkorb ein. Mit trockenem Knacken zerbarsten die Rippen, dann folgte ein schmatzender Laut, als Lokan nach dem zuckenden Herzen griff. Karl öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. Die Hoffnung in seinen Augen war erloschen. Im nächstenAugenblick erstarb auch das Leben in ihnen, während Lokan das Herz herausriss und das Blut in hohem Bogen in den Schnee und auf die Aufschläge von Lokans Hose spritzte.
    „Gut, dass ich dunkle Hosen angezogen habe“, meinte Lokan zu sich selbst und stopfte das Herz in die Ledertasche, die an seiner Schulter hing. Dann griff er erneut in die offene Wunde, um die Schwarze Seele Karls hervorzuholen. „Komm schön zu Papa“, lockte er sie.
    Die Schwarze Seele wand sich ihm um die Finger und ums Handgelenk. Wie schmieriger, stinkender Rauch schmiegte sie sich an die Haut. Die Kälte, die sie ausstrahlte, wurde durch die frostigen Außentemperaturen und Lokans nach dem Bad im Fluss ausgekühlte Glieder wettgemacht. Dann schlang sich dieses Etwas um seinen Unterarm, immer noch zögernd, immer mal wieder zurückweichend, als könne es sich nicht entscheiden, ganz herauszukommen und sich zu ergeben. Aber Lokan ließ ihm keine Wahl.
    Als die Schwarze Seele ihren Körper endlich verlassen hatte, schwebte sie schaukelnd in Höhe von Lokans Schulter. Lokan legte ein Feuerband darum, und so sah das Ganze jetzt aus wie ein hässlicher, unförmiger schwarzer Luftballon, der bei jedem Windstoß hin und her schwankte.
    Lokan stieß einen erleichterten Seufzer aus. Nach all dem Frust, den er gerade durchgemacht hatte, fühlte er sich jetzt bedeutend besser und ausgeglichener. Er war hierhergekommen, um zu töten und eine Seele zu holen, und diese Mission hatte er nun glücklich erfüllt. Wenn auch auf einem kleinen Umweg.
    Den würde er bald vergessen haben und mit ihm den Anflug von Menschlichkeit, dem er vorübergehend ausgesetzt war. Er war ein Seelensammler, treuer Untergebener seines Vaters, ein Geschöpf der Finsternis, das den Tod brachte. Und das war er gern.
    Um Karls ramponierten Zustand brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Jeder würde die aufgerissenen Wunden für eine Folge des Unfalls halten. Lokan wandte sich zum Gehen.
    Als er sich auf den Weg machen wollte, wäre er beinahe in den Jungen gerannt, der nur einen Meter vor ihm stand und geradewegs auf die Schwarze Seele blickte, die neben Lokan schwebte. Der Junge war ein Sterblicher. Normalerweise konnten Sterbliche keine Schwarzen Seelen sehen. Und jetzt bemerkte Lokan auch, dass die Augen des Jungen wieder dieses seltsam strahlende Blau hatten.
    Die Vorahnung, die Lokan vorher nur gestreift hatte, traf ihn jetzt mit voller Wucht.

9. KAPITEL
    Die Wahrheit ist dein, sie nährt dich. Du selbst bist die Wahrheit .
nach dem Ägyptischen Pfortenbuch
    Las Vegas, Nevada
    Gegenwart
    D ie ganze Geschichte lag für Lokan in unendlich weiter Ferne. Er musterte Boone genauer. „Du hast also das Unglück am Spanish River überlebt?“
    „Hab ich. Und meine Brüder auch. Dank deiner Hilfe.“ Boone

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