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Feuersuende

Feuersuende

Titel: Feuersuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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war, altern und sterben, ohne dass er jemals von ihr erfahren hätte?
    In diesem Moment glaubte er, Bryn Carr zu hassen, und wenn er ihre Miene richtig deutete, empfand sie genau das Gleiche für ihn .
    Sie versuchte nicht einmal, sich damit zu rechtfertigen, dass sie keine Möglichkeit gehabt hatte, mit ihm in Verbindung zu treten. Allerdings wäre das auch eine zu windige Ausrede gewesen, denn er hatte in dem Hotel, in dem sie zusammen die Nacht verbracht hatten, eine Kontaktadresse hinterlegt. Es war die vage Hoffnung, dass sie dorthin zurückkommen würde, um nach ihm zu fragen. Aber daran hatte er selbst nicht recht geglaubt. Und was ihn dazu brachte, derartige Hoffnungen zu hegen, wusste er selbst nicht .
    „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass ich irgendwelche Ansprüche stelle. Ich erwarte nichts von dir“, versicherte sie rasch, während sie krampfhaft den Griff der Kinderkarre umklammerte .
    Lokan überwand die Nachwirkungen des Schocks, schluckte seinen Ärger hinunter und meinte in sachlichem Ton: „Aber ich habe ein Recht darauf, bei ihr zu sein und sie kennenzulernen. Sie gehört mir .“
    Bryn zuckte zusammen. Ihr Kopf fuhr in die Höhe. Sie holte Luft, sagte dann aber nur ruhig: „Nein.“ Bei aller Panik wirkte sie erstaunlich gefasst und entschlossen. Nichts an ihr erinnerte in diesen Augenblicken an die anschmiegsame, hingebungsvolle Frau, mit der er jene Nacht im Bett verbracht hatte. „Sie gehört niemandem und wird niemals jemandem gehören außer sich selbst“, sagte sie mit fester Stimme. „Sie wird zu einem selbstbewussten und selbstbestimmten Menschen heranwachsen.“
    „Ja, so soll es sein.“ Lokan hatte nichts dagegen einzuwenden. Es entsprach genau dem, was auch er für seine Tochter wollte .
    Bryn atmete tief durch und blickte ihn so eindringlich an, als wollte sie die Gedanken hinter seiner Stirn lesen. Sie war sichtlich unsicher, ob sie seinen Worten trauen konnte .
    Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort. Er rechnete damit, dass sie ihn weiter abwies, und war schon dabei, sich ein Dutzend Argumente zurechtzulegen. Dass sie ihn am liebsten wegschicken würde, stand außer Frage. Doch irgendetwas – vielleicht war es der Ernst, mit dem er gesprochen hatte – musste sie umgestimmt haben. Sie wendete den Kinderwagen, sodass er nun freie Sicht auf das schlafende Kind hatte. Die Kleine lag mit ausgebreiteten Armen da, die Lippen des winzigen Mundes machten ein kaum hörbares schmatzendes Geräusch .
    Und dann öffnete seine Tochter die Augen und sah ihm direkt ins Gesicht. Der Blick aus diesen himmelblauen Augen senkte sich bis tief in sein Herz und hinterließ dort ein Bild, das er nie wieder vergessen sollte .
    „Du kannst sie besuchen“, gestand Bryn ihm nicht ohne spürbaren Widerwillen zu. Noch immer schien sie die Furcht vor ihm nicht abgelegt zu haben. Diese Reaktion schmerzte Lokan, obgleich sie im Grunde verständlich war. Er war ein Seelensammler, ein Reaper, eine Kreatur, die Tod und Verderben brachte, und sollte sich daran gewöhnt haben, dass Menschen sich vor ihm fürchteten. Aber nicht sie. Lokan wollte nicht, dass Bryn Angst vor ihm hatte .
    „Aber nur an vorher festgelegten Tagen“, fuhr Bryn fort. „Dann kannst du kommen und sie sehen. Und auch nur, wenn ich dabei bin. Auf den Arm nehmen darfst du sie noch nicht. Erst wenn ich dir gezeigt habe, wie man den Kopf hält, und du gelernt hast, Windeln zu wechseln. Aber das wird noch eine Weile dauern. Du kannst zuschauen, wie ich das mache. Und sie braucht viel Schlaf. Du darfst sie nicht wecken. Und…“
    „Da ist endlich die Bryn, wie ich sie kenne. Ich hatte mich schon gewundert, wo sie geblieben ist.“
    Sie sah ihn mit einem Stirnrunzeln an. Wie gern hätte er ihr mit sanfter Hand die Falten auf der Stirn geglättet. Wie gern ihr versichert, dass sie nichts von ihm zu befürchten hatte und er ihr versprechen würde, dass weder ihr noch dem Kind ein Haar gekrümmt wird. Bryn öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Für einen Moment dachte er schon, sie könnten sich aussprechen. Sie würde ihm erklären, warum sie den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte, und sie könnten die Spannung zwischen sich abbauen .
    Aber dann senkte sie den Blick und nahm wieder ihre Abwehrhaltung ein. „Die Bryn, die du gekannt hast, gibt es nicht mehr. Sie hat zu viele Fehler gemacht. Die Bryn, die jetzt vor dir steht, muss klüger sein. Sie hat noch für jemand anderen zu sorgen.“ Sie hob den Kopf und sah ihn wieder

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