Feuertanz
Zeit … und kein Geld«, murmelte er.
»Wann können wir uns heute Nachmittag treffen?«, fragte Irene, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, abzulehnen.
»Nach fünf«, antwortete er mürrisch.
»Sehr gut. Bis dann.«
Aber das hörte er schon nicht mehr, er hatte bereits aufgelegt.
Als nächste rief Irene Angelica an. Sie war zu Hause, und auch sie klang nicht sonderlich begeistert, als Irene ihr mitteilte, dass sie sie treffen wollte.
»Ich habe heute keine Zeit. Ich arbeite bis acht Uhr abends«, sagte sie.
»Das bedeutet, dass Sie erst nach dem Mittagessen anfangen. Ich bin in einer halben Stunde bei Ihnen«, entschied Irene.
»Aber ich muss los … und einkaufen«, wandte Angelica ein.
»Das können Sie auch anschließend. Es geht um den Mord an Ihrer Tochter«, erwiderte Irene.
Wie erwartet trafen ihre Worte ins Schwarze. Dagegen ließ sich kaum etwas einwenden.
Nach dem Telefongespräch begab sich Irene entschlossenen Schrittes zu Sven Andersson. Er saß an seinem Schreibtisch und las jemandem telefonisch die Leviten. Dann legte er wütend auf und brummte halblaut: »Verdammte Bürokraten! Begreifen null! Sitzen rum und tun nichts!«
Sein hochrotes Gesicht ließ darauf schließen, dass dies nicht gerade der günstigste Zeitpunkt war, um heikle Fragen zu besprechen, aber Irene beschloss, trotzdem einen Versuch zu wagen. Sie lächelte ihren Chef an und fragte: »Wie wär’s mit einem Kaffee?«
»Quatsch«, schnaubte Andersson, aber seine Miene hellte sich etwas auf, als er über Irenes Vorschlag nachgedacht hatte.
»Warum nicht«, meinte er schließlich.
»Dann hole ich welchen«, erwiderte Irene und verschwand auf dem Korridor.
Als sie wenige Minuten später zurückkehrte, hatte sich seine Gesichtsfarbe wieder normalisiert. Irene stellte ihm eine dampfende Tasse hin, die andere schob sie auf ihre Seite des Schreibtischs und nahm dann Platz.
»Was führst du jetzt wieder im Schilde?«, fragte Andersson, nachdem er vorsichtig an dem heißen Getränk genippt hatte.
Irene holte tief Luft und beschloss dann, gleich ins kalte Wasser zu springen. »Der Sophie-Mord. Ich habe eine Menge neuer Informationen.«
»Und zwar welche?«, fragte der Kommissar missmutig.
Er hatte ausdrücklich Weisung erteilt, dem Bandenmord Vorrang zu geben. Er wollte diese Ermittlung abschließen, um sie der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
»Es gibt da so allerhand. Die Techniker haben die Fotos bearbeitet, die Frej bei diversen großen Bränden aufgenommen hat. Sophie ist auf mindestens einem dieser Fotos zu sehen, und zwar nicht die zugeknöpfte Sophie, die wir beide kennen, sondern ein sonnig lächelndes Mädchen. Ich glaube, sie war Pyromanin.«
»Was soll denn das schon wieder … Pyromanin! Das würde ja bedeuten, dass sie das Haus angezündet hat, als dieser … wie hieß er noch gleich … Typ ums Leben kam!«
»Magnus Eriksson, das war ihr Stiefvater. Ja. Möglicherweise war es so. Deswegen habe ich heute Nachmittag mit Frej einen Termin vereinbart. In seiner Dunkelkammer in Änggården. Vorher bin ich noch mit Angelica Malmborg-Eriksson verabredet, und zwar in einer halben Stunde. Genauer gesagt in zwanzig Minuten.«
»Zu welchem Zweck?«
»Um sie zu fragen, ob sie von der eventuellen Pyromanie ihrer Tochter wusste und wie ihr Verhältnis zu Marcelo Alves aussieht.«
»Ist das nicht dieser tanzende Neger? Der vielleicht eine Affäre mit Sophie hatte? Hat der Typ etwa auch noch die Mutter genagelt?«
Der Kommissar hob die Brauen und wirkte plötzlich interessiert. Irene schluckte ihr Unbehagen hinunter und entgegnete: »Ja. Es hat den Anschein.«
»Unglaublich!«, meinte Andersson.
Er hob den Kopf und blickte zur Tür, die sich nach einem kurzen Klopfen geöffnet hatte. Fredrik Stridh schaute herein und sagte: »Hallo. Hannu bat mich, euch mitzuteilen, dass schon wieder einer niedergestochen wurde. Offenbar einer aus Milans Gang. Sie haben ihn in einem Treppenhaus am Ostende der Nordstan gefunden. Schwer verletzt, aber noch lebend. So halbwegs jedenfalls. Jetzt haben wir es wirklich mit einem richtigen Bandenkrieg zu tun.«
Noch ehe Andersson und Irene etwas zu dieser Neuigkeit sagen konnten, war sein gegelter Kurzhaarschnitt schon wieder verschwunden und die Tür geschlossen.
Für Irene waren es ausgesprochen unangenehme Neuigkeiten. Jetzt würde die Bandenkriminalität noch weiter anwachsen und alle Ermittler in Anspruch nehmen … Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Andersson sagte:
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