Feuertanz
seiner Mutter, was blieb mir also anderes übrig?«
Sie sah Irene fast flehend an, die verständnisvoll nickte. Natürlich war es eine knifflige Situation für Ingrid gewesen, die sich ganz offensichtlich für ihren Neffen verantwortlich fühlte und überdies nicht an Kinder gewöhnt war. Irene stellte die nahe liegende Frage: »Weshalb war Frej an diesem Montag bei Ihnen?«
Ingrid wich ihrem Blick aus, und Irene spürte, dass die Vertraulichkeit wie weggeblasen war.
»Magnus hatte mich gebeten, den Jungen vom Schulbus abzuholen«, antwortete sie kurz angebunden.
»Kam das häufiger vor?«
»Gelegentlich. An manchen Tagen unterrichtet Angelica und kommt erst spätabends nach Hause. Ihre Tochter hat sie dann dabei. Das Mädchen nimmt Ballettstunden.«
»Aber Magnus saß zu Hause und war am Arbeiten. Weshalb konnte er Frej dann nicht selbst vom Bus abholen?«
Ingrid presste die Lippen zusammen und schien die Frage nicht beantworten zu wollen. Mit einer verärgerten Handbewegung fuhr sie sich mit ihren schwieligen Händen durch ihr dichtes, angegrautes Haar. Einen Augenblick lang wirkte sie richtig wütend. Dann seufzte sie tief und schien ein wenig in sich zusammenzusinken. Als sich ihre Blicke wieder trafen, sah Irene, dass Tränen in ihren Augen standen.
»Magnus … hatte Probleme. Er und Angelica … Sie war daran schuld, dass er trank!«, flüsterte sie.
»Wieso das?«
»Dieses verdammte Flittchen …! Dauernd ging sie fremd! Aber ich habe ihn von Anfang an gewarnt. Ich sah sofort, was von ihr zu halten war. Sie war eine richtige Schlampe! Sie hatte es nur auf sein Geld abgesehen!«
Die Zornesröte stieg ihr in ihr breites Gesicht. Wütend schnappte sie sich eine weitere Zimtschnecke und aß sie mit drei schnellen Bissen auf. Irene hatte beim letzten Satz aufgemerkt.
»Besaß Magnus Geld?«, fragte sie.
»Ja. Er hatte eine größere Summe gewonnen und außerdem seinen Anteil an Vaters Haus an meinen Mann und mich verkauft. Das war die Häuslerkate, die abgebrannt ist. Magnus und ich sind in der Björkilskate aufgewachsen. Zu dem Haus gehörten nur ungefähr zweieinhalb Morgen, also haben wir es gekauft, mein Mann und ich. Magnus interessierte sich nicht dafür. Wir haben das Häuschen dann renovieren lassen, um es zu vermieten oder eventuell zu verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Magnus und Angelica bereits Probleme mit ihrer Wohnung … sie sollte renoviert werden. Daraufhin mieteten sie das Häuschen.«
»Es handelte sich also um das Elternhaus von Magnus und Ihnen«, stellte Irene verblüfft fest.
»Ja.«
»War es versichert?«
»Ja.«
Irene dachte fieberhaft nach. Sie wollte die nächste Frage richtig stellen. Vorsichtig sagte sie: »Sie haben gesagt, Magnus hätte Probleme gehabt und zu trinken begonnen. War er vielleicht an dem Nachmittag, an dem es brannte, nicht ganz nüchtern?«
Ingrid nickte resigniert.
»Ich hab immer reingesehen, wenn ich mit Rex meinen Nachmittagsspaziergang machte. Um mal zu schauen … ich machte mir Sorgen. Manchmal, wenn ich sah, dass Magnus … zu viel getrunken hatte … erbot ich mich, Frej vom Bus abzuholen. Dann konnte er bei mir bleiben, bis Angelica nach Hause kam.«
»Wie spät war es, als Sie an diesem Montag hinkamen?«
»Kurz nach zwei. Ich gehe um diese Zeit immer eine Runde mit dem Hund.«
Als hätte er verstanden, dass von ihm die Rede war, erhob sich der große Schäferhund und legte Ingrid seinen großen Kopf auf den Schoß. Zärtlich kraulte sie ihn hinter den Ohren, aber Irene sah, dass sie in Gedanken ganz woanders war, weit entfernt von ihrer gemütlichen Küche.
»Sie merkten also bereits gegen zwei, dass Magnus angetrunken war?«
»Ja. Aber nicht sehr. Ich hab trotzdem gesagt, dass ich mich um Frej kümmern würde.«
»Haben Sie mit Ihrem Bruder an diesem Nachmittag dann noch einmal gesprochen?«
»Nein.«
»Aber ich habe der Akte entnommen, dass Sie die Feuerwehr alarmiert haben. Wie haben Sie das Feuer bemerkt? Und wann?«
»Das war kurz vor fünf. Ich sah zufällig aus dem Fenster und erblickte einen deutlichen Feuerschein über den Baumwipfeln. Zwischen Björkilstorp und dem Hof liegt ein kleines Waldstück. Mir war sofort klar, dass das Haus brannte, da steht sonst kein anderes Gebäude. Dann alarmierte ich die Feuerwehr.«
»Sie sind nicht selbst hingefahren?«
»Nein. Frej war nach dem Essen eingeschlafen. Ich wollte ihn nicht wecken und auch nicht allein lassen, falls er aufwachte.«
»Aber um Ihren Bruder haben Sie
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