Feuertanz
wiederzukommen. Krister war dann bei der Arbeit, und Jenny hatte eine Probe mit ihrer Band. Vielleicht würde ja Katarina mitkommen, um sich den Capoeira anzusehen? Das war nicht ausgeschlossen.
»Ich komme heute Abend. Könnten Sie vielleicht Felipe und Marcelo Bescheid sagen?«
»Mache ich«, erwiderte Gisela.
Mit ihren beiden schmalen Händen, die so zart waren wie die Flügel eines Vogels, drückte sie fest Irenes Rechte.
»Versprechen Sie mir, dass Sie alles unternehmen, um den Mörder von Sophie zu fassen. Sie … sie hatte es nicht leicht. Niemand hat einen derart grausamen Tod verdient, am allerwenigsten sie!«
Tränen liefen ihr über die Wangen. Gisela war die erste Person in dieser Ermittlung, die Sophies schreckliches Schicksal wirklich betrauerte und beweinte. Vielleicht war sie die einzige richtige Freundin gewesen, die Sophie je besessen hatte.
Irene bog vom Dag Hammarskjöldsleden ab, um einen Blick auf Sophies Haus in Änggården zu werfen und vielleicht ein paar Worte mit Marcelo Alves zu wechseln. Falls er zu Hause sein sollte, wollte sie auch die Gelegenheit zu einer Hausbesichtigung nutzen.
Natürlich hatte man die Wohnung von Sophie bereits Ende September durchsucht, als sie vermisst gemeldet worden war. Die Ermittler hatten damals nichts Verdächtiges gefunden. Nichts deutete darauf hin, dass sie freiwillig so mir nichts, dir nichts verschwunden war. Sie hatte nie einen Pass besessen, und von ihren Konten war seit ihrem Verschwinden kein Geld abgehoben worden. Als der Gerichtsmediziner festgestellt hatte, dass es sich bei der verbrannten Leiche um Sophie handelte, waren Fredrik Stridh und Jonny Blom noch einmal zu ihrem Haus gefahren und hatten es ein weiteres Mal durchsucht. Sie hatten nichts von Belang gefunden, aber Fredrik war der Meinung gewesen, es sei mit Ausnahme »dieser Tanzsachen« für eine Frau wahnsinnig dreckig gewesen.
Weder die Kollegen vom Dezernat für allgemeine Kriminalität noch diejenigen vom Dezernat für Gewaltverbrechen hatten sich die Wohnung von Marcelo Alves oder die Dachwohnung Frejs angesehen.
Als Schutz vor dem Geräuschpegel und den Abgasen der stark befahrenen Autobahn, dem Dag Hammarskjöldsleden, gab es einen hohen Lärmschutzzaun. Dahinter lagen die schönen alten Reihenhäuser von Änggården mit ihren verschiedenfarbigen Fassaden, rosa neben hellblau und grau neben moosgrün. Das war hübsch und originell, aber sehr unschwedisch. Irene kannte diese Art, Reihenhäuser anzustreichen, von einer Reise nach London einige Jahre zuvor.
Die meisten Häuser in Änggården waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erbaut worden. Die Reihenhäuser hatten Holz-, die Einfamilienhäuser meist Putzfassaden. An den ruhigen Straßen standen große Laubbäume, meist eher seltene, da immer viele Angestellte des benachbarten Botanischen Gartens in diesem Viertel gewohnt hatten. Irene wusste einiges über Änggården, da Rut, die beste Freundin ihrer Mutter, viele Jahre dort gelebt hatte. Irenes Eltern hätten fast das Reihenhaus neben dem von Rut gekauft, als es vor fünfunddreißig Jahren zum Verkauf gestanden hatte. Schließlich hatten sie sich aber von dem Preis abschrecken lassen und waren in ihrer Wohnung wohnen geblieben, was Irenes Mutter immer noch betrübte.
Seltsamerweise war Irene seit zwanzig Jahren nicht mehr in Änggården gewesen. Es war auch eine Gegend, die Polizisten nur selten dienstlich aufsuchten, höchstens, um sich um Einbrüche zu kümmern.
Frisch gestrichen, restauriert und sehr gut in Schuss lag das Viertel in vornehmer Abgeschiedenheit vom Rest der Stadt. Der Eindruck wohlgeordneten Wohlstands durchdrang trotz graukalten Herbstnebels alles. Irene fuhr eine Weile durch die Straßen, bis sie die richtige Adresse fand. Ganz in der Nähe gab es einen freien Parkplatz, auf dem sie ihren Wagen abstellte. Langsam ging sie zu dem hohen schmiedeeisernen Tor zurück und betrachtete aufmerksam das große Holzhaus jenseits der Mauer zwischen den unbeschnittenen Büschen und Obstbäumen.
Das Tor war einmal schwarz lackiert gewesen, jetzt aber rostig rotbraun. Es ließ sich nur schwer öffnen. Die Scharniere quietschten. Der ganze Garten roch schwer und modrig nach feuchter Erde. Niemand hatte das Obst der alten Bäume geerntet, und die Früchte lagen faulend in dem gelben Gras, das wohl den ganzen Sommer über nicht gemäht worden war. Der ganze Garten ließ auf Vernachlässigung und Verfall schließen, und mit dem Haus war es nicht
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