Feuertanz
sich am Rand des ältesten Teils des Industriegebietes Högsbo. Alles steht leer, weil es für den neuen Gebäudekomplex des Pharmakonzerns abgerissen werden soll. Der fragliche Schuppen liegt vollkommen abseits, an die Rückseite grenzt das Naturreservat Änggårdsbergen. Aber er ist nur zwei Kilometer von dem Haus in Änggården entfernt.«
Irene deutete auf einen anderen Punkt auf dem Plan.
»Hier wohnt Angelica, in der Distansgatan, die ungefähr genauso weit davon entfernt liegt. Aber Sophie verschwand aus dem Park Aveny Hotel, und das liegt mitten in der Stadt. Hier.«
Irene drehte sich zu Tommy um und hob verdeutlichend einen Finger nach dem anderen, während sie ihre Fragen aufzählte: »Weshalb verschwand Sophie aus dem Park Aveny Hotel? Wie verschwand sie? Wen traf sie? Wohin wurde sie gebracht? Wo wurde sie drei Wochen lang gefangen gehalten? Wieso wurde sie in das Industriegebiet gebracht? War es wichtig, sie zu verbrennen? Warum wurde sie misshandelt und betäubt? Und die wichtigste Frage: Wer hat ihr all dieses Leid zugefügt?«
Tommy wippte mit seinem Stuhl nach hinten und warf ihr einen spöttischen Blick zu.
»Das, mein lieber Watson, erfahren wir, wenn wir den Mörder gefangen haben. Bis dahin müssen wir an unserem Puzzle weiterarbeiten.«
»Ich meine mich zu erinnern, dass Sherlock Holmes Kokain brauchte, um nachdenken zu können. Gerade jetzt verspüre auch ich ein starkes Bedürfnis nach etwas Anregendem«, seufzte Irene.
Sie erhob sich, um zwei Becher Kaffee aus dem Automaten zu holen.
Katarina hatte keine anderweitigen Pläne, sondern nahm dankbar den Vorschlag ihrer Mutter an, sie zum Capoeira zu begleiten. Sammie sprang hinten in den Kombi. Er liebte es, Auto zu fahren, und auf seine alten Tage war ihm eine Fahrt mit dem Auto lieber als ein Spaziergang. In seinen bisher elf Lebensjahren war er stets der festen Überzeugung gewesen, das Auto gehöre ihm, und Herrchen und Frauchen dürften es dank seiner Großzügigkeit mitbenützen. Neuerdings hatten auch die beiden kleinen Frauchen angefangen, mit dem alten Volvo durch die Gegend zu fahren. Wogegen er nichts einzuwenden hatte, solange sie ihn mitnahmen.
Der letzte Besuch beim Tierarzt hatte ergeben, dass Sammie auf beiden Augen an grauem Star litt. Tagsüber schien ihn das nicht weiter zu behindern, aber abends fiel es schon sehr auf. Nach Einbruch der Dunkelheit unternahm er nur noch ungern längere Spaziergänge. Der früher so unerschrockene Terrier bellte vermeintliche Gespenster an, wenn der Wind in die Baumwipfel fuhr und sich die Schatten um die Lichtkegel der Straßenbeleuchtung bewegten. Immer öfter kollidierte er mit Briefkästen und Pfosten, die im Dunkeln lauerten. Mit Trauer im Herzen hatte Irene einsehen müssen, dass ihr geliebter Hund allmählich alt wurde.
Sie parkten in der Nähe einer Straßenlaterne, damit es im Auto nicht ganz dunkel sein würde. Die Temperatur war auf fast null Grad gefallen, aber zwei Stunden würde Sammie es im Auto aushalten. Irene wickelte ihn in seine Decke. Zufrieden rollte er sich in seinem Bau zusammen. Seit dem letzten Trimmen waren fast drei Monate vergangen, und das dicke Fell würde ihn ebenfalls wärmen.
In der Cafeteria saßen nun bedeutend mehr Leute als am Morgen. Sie waren unterschiedlichen Alters, und es wurde gelacht und geredet. Im Gewimmel entdeckte Irene Frejs blondierte Haare. Er saß neben dem dünnen Mädchen mit den rosa gefärbten Zöpfen, das Irene am Morgen beim Capoeira-Training gesehen hatte. Irene bahnte sich ihren Weg zu ihnen.
»Hallo«, sagte sie lächelnd.
Frej schaute zu ihr hoch. »Hallo. Was machen Sie denn hier?«, fragte er ohne größere Begeisterung.
»Ich bin nach dem Training mit Marcelo Alves verabredet. Felipe Medina hat mir versprochen, zu dolmetschen. Außerdem habe ich meine Tochter Katarina mitgebracht, damit sie sich den Capoeira ansehen kann. Sie betreibt seit mehreren Jahren Jiu-Jitsu und interessiert sich sehr für die verschiedenen Kampfspor…«
Irene verlor den Faden, als ihre Tochter sie milde, aber entschieden beiseite schob, die Hand ausstreckte und Frej und seine Freundin begrüßte.
Frej schenkte Katarina ein strahlendes Lächeln, und Irene fiel wieder einmal auf, wie sympathisch er aussehen konnte. Geradezu charmant, trotz seines hässlichen Bärtchens. Aber das trugen heutzutage offenbar die Rapper oder Hip-Hopper. Irene war sich nicht sicher, vielleicht waren diese Bärte ja bei allen jungen Männern in Mode. Ihr fiel
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