Feuertanz
sich Frej mit Katarina. Irene trat auf sie zu. Als Frej sie sah, sagte er noch kurz etwas zu Katarina und verließ Mutter und Tochter dann mit einem kurzen »Bis dann«.
»Er wollte duschen«, erklärte Katarina.
Sie probierte vor dem Wandspiegel ein paar Sprünge aus, vollführte eine unbeholfene Pirouette und blieb dann vor Irene stehen.
»Im Januar beginnt ein Capoeira-Anfängerkurs. Ich habe vor, mich da anzumelden. Im Sommer gibt es dann einen dreiwöchigen Intensivkurs. Den werde ich ebenfalls besuchen.«
Die Enttäuschung machte Irene immer noch zu schaffen, und sie konnte nur nicken. Katarina war achtzehn, also volljährig, und wurde im Frühjahr neunzehn. Ohne Erlaubnis ihrer Eltern konnte sie heiraten, wen sie wollte, sie war wahlberechtigt und strafmündig. Natürlich konnte sie ihr nicht verbieten, mit dem Jiu-Jitsu aufzuhören; es stand ihr frei, selbst zu entscheiden, welche Sportart sie betreiben wollte.
Als hätte sie gemerkt, wie sehr ihr Entschluss, den Kampfsport zu wechseln, ihre Mutter betrübte, legte sie ihr eine Hand auf den Arm und sagte: »Aber ich mache mit Jiu-Jitsu weiter. Capoeira ist zweimal die Woche. Ich kann dann immer noch einmal in der Woche Jiu-Jitsu trainieren.«
Nach einer Weile kamen Marcelo und Felipe in den Saal zurück. Sie trugen jetzt dünne schwarze Hosen und knappe weiße Unterhemden. Felipe holte zwei Matten und legte sie nebeneinander. Bei jeder Bewegung klapperten die Holzperlen am Ende seiner Zöpfchen. Es waren hunderte.
»Sie können sich da hinsetzen«, sagte er lächelnd und deutete auf die eine Matte.
Irene und Katarina nahmen den beiden Tänzern gegenüber Platz. Ein herbmännlicher Duft nach Duschseife ging von ihnen aus.
»Wir haben nur eine halbe Stunde Zeit. Dann fängt Marcelos Salsa-Unterricht an. Ich und ein paar andere sind dabei, um die Teilnehmer in Schwung zu bringen. Alles Anfänger. Vielleicht wollen Sie ja auch mitmachen?«
Felipe lächelte Mutter und Tochter aufmunternd an.
»Ja! Super!«, rief Katarina und strahlte.
»Das wäre nett gewesen, aber wir haben unseren Hund im Auto. Er friert …« begann Irene.
»Aber ich bleibe noch«, sagte Katarina resolut.
Die beiden dunkelhaarigen Männer lächelten ihr zu, und Irene beschlich ein leises Gefühl der Unruhe. Beide waren so unglaublich gut aussehend. Zu gut aussehend.
Um die Initiative zurückzugewinnen, sagte sie: »Dann wollen wir unsere wenige Zeit nicht verschwenden. Meine erste Frage an Marcelo ist recht persönlich, aber es ist sehr wichtig, dass ich eine ehrliche Antwort darauf bekomme.«
Sie verstummte und ließ Felipe das Gesagte in melodisches Portugiesisch übersetzen. Marcelo zog die Brauen hoch und sah alles andere als begeistert aus. Er nickte und sah Irene ernst an.
»Mehrere Zeugen, die in jener Nacht im Park Aveny waren, als Sophie verschwand, sagten aus, sie hätten den Eindruck gehabt, Marcelo und Sophie seien ein Paar gewesen. Waren Sie zusammen?«
Felipes Pupillen weiteten sich, aber er übersetzte trotzdem rasch die Frage. Marcelo lachte leise, wurde aber schnell wieder ernst. Er sah Irene mit seinen dunklen Augen an und sagte etwas mit großem Nachdruck. Ohne dass Felipe übersetzen musste, verstand Irene, dass er die Frage verneint hatte.
»Sie waren sehr gute Freunde, aber sie waren nicht zusammen. Also kein Sex. Sophie war schwierig. Anders. Marcelo wurde aus ihr nicht schlau. Aber in der Zeit, in der sie den Feuertanz einstudierten, lernten sie sich besser kennen«, übersetzte Felipe.
Er lächelte plötzlich strahlend und sah Irene und Katarina an: »Marcelo und ich tanzen im Feuertanz. Sie müssen am Mittwoch zur Premiere kommen!«
Das war nun schon die zweite Einladung, die sie zur Uraufführung von Sophies Tanzstück erhalten hatte. Irene nickte. Ihre Neugier war geweckt, und sie wollte das Ballett wirklich gern sehen. Sie war in ihrem Leben noch nie bei einer Tanzvorführung gewesen, sondern hatte höchstens mal eine im Fernsehen gesehen.
»Am Mittwoch? Ich schwänze das Jiu-Jitsu und komme mit«, meinte Katarina energisch.
»Gut! Es kommen eine Menge Leute«, meinte Felipe zufrieden.
Irene wollte gerne wieder über das Verhältnis von Marcelo und Sophie sprechen. Ehe sie jedoch fortfuhr, wandte sie sich an Katarina und sagte: »Könntest du bitte in die Cafeteria gehen! Ich komme dann nach.«
»Wieso denn?«, protestierte Katarina, erhob sich aber, wenn auch widerwillig.
Wie unterhaltend es auch gewesen sein mochte, dem Capoeira-Training
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