Feuertanz
beizuwohnen, so war ihr doch bewusst, dass ihre Mutter ins Haus des Tanzes gekommen war, um zu arbeiten, und aus keinem anderen Grund.
Rasch sagte Marcelo etwas zu Felipe.
»Katarina. Wir leihen dir für den Salsa-Unterricht Trainingskleider, dann brauchst du nicht in durchgeschwitzten Kleidern nach Hause fahren«, sagte Felipe.
»Supernett«, meinte Katarina.
Auf der Schwelle drehte sie sich nochmals um und lächelte ihnen zu. Ihre blauen Augen funkelten erwartungsvoll, und Irene sah deutlich, dass sich ihre Tochter wirklich darauf freute, mit dem Tanzen anzufangen. Ein Blick auf Marcelo genügte, um sie davon zu überzeugen, dass noch mehr Leute gewisse Erwartungen mit Katarinas Eintritt in die Welt des Capoeira verknüpften. Als sich die Tür hinter Katarina schloss, nahm Irene ihre Vernehmung wieder auf.
»Einige Zeugen behaupteten, Marcelo und Sophie hätten Arm in Arm am Tisch gesessen. Ich finde, das klingt nach mehr als Freundschaft.«
Felipe lächelte ironisch. Ehe er zu dolmetschen begann, sagte er: »Sie kennen ihn nicht …«
Anschließend wandte er sich dem Brasilianer zu und übersetzte Irenes Behauptung.
Marcelo seufzte und sah Irene mit seinen dunklen Augen an. Bedrückt fuhr er sich mit den Fingern durch sein dichtes Haar. Irene begriff allmählich, weshalb er Frauen so leicht aus dem Gleichgewicht brachte. Ein Glück, dass man nicht mehr jung ist, schoss ihr durch den Kopf. Und daraufhin folgerichtig: Aber Katarina ist das.
»Er sagt, Sophie und er seien kein Paar gewesen, sondern einfach nur sehr gute Freunde«, meinte Felipe energisch.
»Sah Sophie das auch so? Also, dass sie nur Freunde waren?«
Felipe sah sie erstaunt an, übersetzte ihre Frage dann aber kommentarlos. Irene empfand ein leichtes Kribbeln, als sie sah, wie Marcelo ein wenig zögerte. Da war etwas, ihr polizeilicher Instinkt regte sich lautstark.
Schließlich begann Marcelo dem verblüfften Felipe einen längeren Vortrag zu halten. Ehe er zu übersetzen begann, sagte Irene: »Felipe, ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, dass Sie nichts von dem Gesagten weitererzählen dürfen. Es ist streng vertraulich.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Felipe gekränkt. »Marcelo ist einer meiner besten Freunde«, fügte er noch hinzu, als müsse diese Tatsache als Versicherung ausreichen.
Irene lächelte und hob abwehrend die Hand. »Okay. Es war wohl überflüssig, Sie darauf hinzuweisen, aber trotzdem wichtig, da die Schweigepflicht Bestandteil der Richtlinien für Polizeidolmetscher ist.«
Felipe wirkte beleidigt, weil seine Fähigkeit zu schweigen in Frage gestellt worden war, aber dann übersetzte er dennoch, was Marcelo gerade gesagt hatte: »Er sagt, er habe nie vorgehabt, mit Sophie zu schlafen. Schließlich war sie seine Vermieterin und so. Aber sie kamen sich durch die Arbeit am Feuertanz näher, und er merkte, dass sie gerne mit ihm zusammen war. Zweimal wachte er davon auf, dass sie in seinem Zimmer stand. Er schließt seine Tür nie ab, also war sie einfach in sein Schlafzimmer gekommen. Aber es passierte nichts. Beide Male schlich sie sich davon, als sie sah, dass er aufwachte. Aber er merkte, dass sie sich nach Umarmungen und ähnlichem sehnte.«
»Was hielt er davon?«
Marcelo sah ihr die ganze Zeit in die Augen und wirkte sehr ernst, als er die Frage beantwortete. Obwohl sie kein Wort verstand, war ihr klar, dass er sich wirklich Mühe gab, ihr sein kompliziertes Verhältnis zu Sophie darzulegen.
»Es war ihm wirklich sehr unangenehm. Er mochte sie gern, aber nicht unbedingt … unbedingt für Sex. Sie war hübsch und so, aber er wollte sich gar nicht erst mit ihr einlassen. Doch er spürte, dass sie … Wärme brauchte. Er glaubt, dass Sophie sehr einsam war«, übersetzte Felipe.
Die Tür ging auf, und Lina steckte ihre rosa Zöpfe in den Saal.
»Soll ich sie in fünf Minuten reinlassen?«
Marcelo hob den Daumen und nickte. Irene schien, dass keine Zeit für weitere Fragen blieb. Sie dankte Marcelo und Felipe für ihre Hilfe und verließ die Trainingshalle.
In der Cafeteria saß Katarina und unterhielt sich mit ihren neuen Freunden aus der Capoeira-Truppe und merkte gar nicht, als Irene sich ins Herbstdunkel begab.
Sammie freute sich unbändig, als Irene die Heckklappe öffnete und ihn für einen kurzen Spaziergang rausließ, ehe sie nach Hause fuhren. Rasch trieb ihn der kalte Regen jedoch wieder ins Auto zurück. In seinem warmen Bau aus Decken war es viel gemütlicher.
Dichter Morgennebel
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