Feuertanz
eine große Flasche Ajax, ein paar ordentliche Scheuerlappen und einen Eimer heißes Wasser besorgt.
Die nächste Tür führte in das Esszimmer, das ins Wohnzimmer überging. Schwere Eichenmöbel dominierten die Einrichtung. Düstere braunrote Teppiche und verschossene rote Samtgardinen hellten die Räume nicht unbedingt auf. Alles war von einer dicken Staubschicht überzogen. Vermutlich hatten Anna-Greta Lidmans Eltern die Möbel gekauft, als das Haus neu gewesen war, und dann hatte sich abgesehen von ein paar modernen Gemälden fast hundert Jahre lang nichts geändert.
Die letzte Tür in der Diele befand sich unter der Treppe ins Obergeschoss. Sie führte in ein großes helles Zimmer, das vermutlich früher einmal die Bibliothek gewesen war, da an drei Wänden bis zur Decke Bücherregale angebracht waren. Das Licht des Eckfensters fiel auf einen großen Mahagonischreibtisch, auf dem ein Computer und ein Drucker standen. Irene wusste, dass sich die Kriminaltechniker den Computer bereits angesehen hatten, ohne irgendetwas von Bedeutung zu finden. Es gab jedoch andere Dinge in dem Zimmer, die ihr Interesse erregten. An der einen Schmalseite des Zimmers stand ein ungemachtes IKEA-Bett aus Kiefernholz. Der grellgrüne Bettbezug mit seinen großen gelben Blumen legte die Vermutung nahe, dass er aus dem gleichen Warenhaus stammte wie das Bett. Von den Laken ging ein säuerlicher Geruch aus, der vage bekannt schien, jedoch schwer zu definieren war. Aber nicht das Bett war interessant, sondern die Regalwand, vor der es stand.
Sophie hatte die Bücher aus dem Regal entfernt, außer aus den beiden obersten Fächern, wo sie vermutlich deswegen stehen geblieben waren, weil es unmöglich war, dort hinaufzukommen, selbst wenn man auf dem Bett stand. Sophie hatte in den Fächern ordentlich ihre Habseligkeiten aufgereiht. Auf den unteren standen ihre Schuhe. Es gab mehrere Paar Spitzenschuhe aus rosa und weißer Seide, schwarze und weiße Ballettschuhe aus Leder und einige stabilere Schuhe mit Absätzen, bei denen es sich offenbar um handgefertigte Tanzschuhe handelte. Neben der Tür standen ein Paar wetterfeste schwarze Stiefel. Das Leder war abgestoßen und ausgetrocknet, und die hohen Gummiabsätze waren abgelaufen. Irene überlegte, ob es die Stiefel sein konnten, die Sophie bereits bei ihrer Begegnung vor fünfzehn Jahren getragen hatte. Konnten es wirklich dieselben Schuhe sein? So wie sie aussahen, war es jedenfalls nicht gänzlich auszuschließen.
Über den Schuhen lagen unterschiedlich dicke gestrickte Stulpen in verschiedenen Farben. In einem durchsichtigen Plastikbehälter waren Haarbänder und -spangen. Ins nächste Fach hatte sie ihre Strumpfhosen und Strümpfe gelegt. Pullover, Trikots und andere kleinere Kleidungsstücke lagerten in den oberen Fächern. Zuoberst befanden sich Jeans, andere Hosen und Röcke.
Alles war ordentlich zusammengelegt und aufgestapelt. Jeder Stapel hatte eine Farbe, rot, weiß, schwarz und so weiter. Irene betrachtete die Regalwand erstaunt. Die Frau, die nicht einmal ihre Toilette putzte, hielt bei ihren Ballettsachen und Accessoires penibelste Ordnung.
Wo befanden sich eigentlich ihre übrigen Kleider? Irene schaute sich um, konnte aber weder einen Schrank noch eine Kommode entdecken. Sie trat an den großen Mahagonischreibtisch vor dem Eckfenster und zog eine Schublade heraus, in der eine Unmenge Slips wild durcheinander lagen. In der Schublade daneben befanden sich einige BHs und Sporttops. Nur eine der Schubladen enthielt, was man normalerweise in einem Schreibtisch erwartete, nämlich Stifte, Filzstifte, alte Radiergummis und zuunterst ein ungewöhnlich langes Lineal.
Irene hob ihren Blick zur Wand neben dem Fenster, an der Sophie mehrere große Papierbögen nebeneinander befestigt hatte, sodass sie eine Fläche von fast vier Quadratmetern bedeckten. Jeder Bogen war mit fünf waagerechten Linien versehen. Zwischen und manchmal auch auf den Linien waren Punkte und Striche eingezeichnet, die vollkommen unbegreiflich und willkürlich erschienen. Darüber hatte Sophie einen Papierstreifen befestigt, auf den sie mit ordentlichen Buchstaben »FEUERTANZ« geschrieben hatte. Offenbar handelte es sich hierbei um Sophies Tanzmärchen.
Irene dachte an Frej. Vielleicht wusste er ja, was die geheimnisvollen Zeichen zu bedeuten hatten. Sie beschloss, ihn in seiner Mansardenwohnung aufzusuchen.
Die verzogenen Treppenstufen knarrten laut bei jedem Schritt. Im ersten Stockwerk angelangt
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