Feuerteufel: Roman (German Edition)
den Schreibtisch herum und gab ihr die Hand. Formell. Das lange Tuch, das lose über einer schwarzen Tunika hing, bewegte sich im Windzug.
»Und womit kann ich Ihnen helfen? Geht es um eine neue Bestandsaufnahme?«, fragte sie und legte den Kopf ein wenig schief.
Magdalena ignorierte sowohl Frage als auch Tonfall. Dass die Frau sich nicht schämte.
»Sie haben heute einen etwas seltsamen Brief bekommen.«
»Ach so? Ich habe die Post noch gar nicht«, erwiderte Pehrsson.
»Ich habe eine Kopie gemacht, hier, sehen Sie.«
Magdalena reichte ihr das Blatt und setzte sich. Pehrsson nahm das Papier mit auf die andere Seite des Schreibtischs, wo sie ihre grün gesprenkelte Lesebrille aufsetzte und zu lesen begann. Ihre Hände zitterten leicht, was man nicht merkte, wenn sie sich auf der Tischplatte abstützte.
»Sagt Ihnen dieser Satz irgendetwas?«
»Nein. Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Pehrsson und nahm die Brille ab. »Oder? Wissen Sie, was das bedeutet?«
Magdalena schüttelte den Kopf.
»Ich habe es mal gegoogelt, aber nichts gefunden. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie das lesen?«
»Wie meinen Sie das?«
Maud Pehrsson schob das Blatt Papier beiseite, als wolle sie es nicht in ihrer Nähe haben, und richtete sich auf. Ihr Schreibtischstuhl war ausladend und erinnerte mit seiner runden Polsterung und den breiten Lederarmlehnen fast an einen Sessel. Wahrscheinlich ein Erbe von dem bedeutend umfänglicheren Gemeinderat, der vor ihr hier gesessen hatte. Nur zu gern würde sie unter den Tisch sehen, ob Maud Pehrsson mit den Füßen auf den Boden reichte.
»Sind Sie beunruhigt?«
»Nein, warum sollte ich?«, fragte Pehrsson und faltete die Hände. »Sie wissen doch, es gibt jede Menge seltsamer Menschen, die aus irgendeinem Grund Briefe hierherschicken. Die Politikerverachtung ist weit verbreitet, vor allem, wenn es um Frauen mit Macht geht. Wenn man so etwas ernst nimmt, dann schenkt man diesen Leuten Aufmerksamkeit, die sie in keiner Weise verdienen.«
Sie bemüht sich wirklich, ungerührt zu wirken.
»Hat das in der letzten Zeit zugenommen?«
»Die Politikerverachtung?«
»Ja, oder besser gesagt, der Ausdruck dieser Verachtung. Wie oft bekommen Sie denn Briefe von ›seltsamen Menschen‹?«
»Zum Glück nicht so oft. Die meisten verspritzen ihr Gift heutzutage ja im Netz. Ich habe es ein wenig eilig, wenn Sie also nicht mehr haben als das, dann sollten wir zum Ende kommen.«
Maud Pehrsson klappte ihre Lesebrille zusammen und steckte sie in ein Etui. Ihre Hände zitterten immer noch.
»Das heißt, Sie haben nicht vor, damit zur Polizei zu gehen?«
»Die Polizei hat genug zu tun mit den widerlichen Bränden, meinen Sie nicht, Magdalena?«
Wenn sie doch einmal aufhören würde, mich zu belehren, dachte Magdalena. Mein Gott, es ist über zwanzig Jahre her, dass ich die neunte Klasse abgeschlossen habe, und sie ist seit drei Jahren Gemeinderätin, und trotzdem glaubt sie immer noch, sie sei die Lehrerin und ich ihre Schülerin.
»Es gibt aber auch Dinge, die die Verachtung noch steigern«, fuhr Pehrsson fort. »Das ist einfach so. Negative Schreibereien zum Beispiel.«
»Sie wollen also sagen, es sei meine Schuld?«
»Ich weiß sehr gut, dass ich mich nicht in das einmischen sollte, worüber Sie Journalisten schreiben, aber ich muss doch leider sagen, dass wenige Artikel einen solchen Schaden angerichtet haben wie jener über das ›Liebesnest‹, sowohl für uns hier im Haus als auch für den Ort im Ganzen. Wenn sich sogar die Abendzeitungen über uns lustig machen, als ob Hagfors irgendein inzestuöses Kaff im Wald wäre, dann fühlt sich das ganz und gar nicht gut an. Wie Sie wissen, arbeiten wir hier hart an der Zukunft, um die Arbeitsplätze, den Flughafen und die Verwaltung zu erhalten. Da war das ein herber Schlag ins Kreuz.«
Maud Pehrsson fuhr sich mit den Fingern durch das struppige Haar, eine empörte Geste, die Magdalena nur zu gut aus dem Schwedischunterricht kannte. Damals waren die Strähnchen goldfarben gewesen, jetzt weinrot.
»Ja, ich werde wohl nicht die ›Diplomatin des Jahres‹ werden, das ist mir schon klar«, sagte Magdalena und erhob sich. »Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben.«
»Und über das hier«, mahnte Pehrsson, »schreiben Sie bitte gar nichts.«
Sollte sie? Es hatte ja was, aber Magdalena wusste nicht recht, ob es für einen Artikel reichen würde. Als sie auf den Parkplatz trat und zur Redaktion zurückging, wusste sie immer noch nicht, was sie
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