Feuertochter: Roman (German Edition)
und wir die Tauben waren. Der Vormarsch der Engländer hat jeden Plan von O’Néill – falls er je einen hatte – so durcheinandergewirbelt, dass alles schiefging, was nur schiefgehen konnte. Doch sagt mir, wo ist Frau Saraid? Sie ist doch hoffentlich nicht allein geflohen?«
»Natürlich nicht! Sie wartet im Wald auf mich. Kommt mit!« Obwohl Ciara immer wieder Ausschau nach Oisin und den anderen Ui’Corra hielt, begriff sie selbst, dass sie nicht säumen durften. Bald würden die Engländer das Lager erreichen und jeden niedermachen, der sich darin noch aufhielt.
Ciara führte Ferdinand und Hufeisen zu einem Gebüsch am Rand des Lagers. Dort entdeckten sie Saraid.
Sie saß neben einem Haufen Reisig, unter dem von nahem mehrere Ledersäcke zu erkennen waren. In den Beuteln befand sich all das, was Ciara und sie schnell eingesammelt hatten. Neben Saraid stand Gamhain, die den vorbeirennenden Iren die Zähne zeigte und böse knurrte.
»Wenigstens ihr zwei seid zurückgekehrt«, begrüßte Saraid die beiden Männer mit einer Stimme, der das Grauen und die Angst anzumerken waren. Dann sah sie das Pferd und nickte erleichtert.
»Sehr gut! Mit Hilfe des Gauls können wir alles mitnehmen, was wir in Sicherheit gebracht haben. Kommt, helft mir aufladen!«
Damit entfernte sie die Zweige und hob den ersten Beutel auf.
»Was ist das?«, fragte Ferdinand verwundert.
»Alles an Lebensmitteln, was wir an uns raffen konnten, als es hieß, die Schlacht sei verloren. Wir haben einen weiten Weg vor uns, und die fliehenden Krieger werden nicht mehr dazu kommen, ihre Sachen mitzunehmen.«
Im Grunde hatten die beiden Frauen das eigene Lager geplündert, aber anders als die meisten Kerle, die in immer größerer Zahl in den Wald hinein flohen, dabei an Nahrungsmittel gedacht und nicht an den einen oder anderen silbernen Teller oder Trinkbecher eines hohen Herrn.
Ferdinand lobte sie im Stillen dafür. Vor ihnen lag ein langer, harter Heimweg, und sie durften es nicht wagen, an irgendeine Tür zu klopfen und um Essen zu bitten. Lord Mountjoy hatte den Iren bereits deutlich vor Augen geführt, was es hieß, den Rebellen zu helfen, nämlich Vertreibung aus ihren Häusern und von ihren Feldern, in vielen Fällen sogar den Tod.
Da Hufeisen Saraid half, war das Pferd rasch beladen, und sie hätten sich nun selbst in die Büsche schlagen können. Ferdinand zögerte jedoch und starrte immer wieder zum Lager hinüber. Plötzlich stieß er einen erleichterten Ruf aus.
»Ich sehe Oisin!«
»Wo?« Ciaras Blick folgte der Richtung, die sein Arm wies. Dort tauchte tatsächlich ihr Bruder auf. Aithil war bei ihm und hielt sich den Arm, während Oisin unversehrt schien. Bei den beiden waren noch etwa zehn Mann von den fünfzig, mit denen sie von Ulster aus aufgebrochen waren.
»Oisin, hier sind wir!«
Auf Ciaras Rufen drehte ihr Bruder sich um, sah sie und rannte auf sie zu. »Gott sei Dank haben wir euch gefunden. Aber jetzt schnell fort! Die Engländer sind uns bereits auf den Fersen, und sie machen keine Gefangenen.«
Dann erst entdeckte er Ferdinand und schloss ihn in die Arme. »Ich glaubte Euch bereits verloren.«
»Wir sind in eine andere Richtung gelaufen, und dabei hat Herr Ferdinand dieses prachtvolle Ross erbeutet. Das ist ganz gut, denn nun müssen wir unser Gepäck nicht schleppen. Doch was ist mit den anderen? Sind wirklich nur so wenige entkommen?« Hufeisen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Immerhin hatte Oisin vor wenigen Monaten noch weit über einhundert Clankrieger befehligt. Ihn jetzt mit so wenigen zu sehen war kaum zu ertragen.
»Ich hoffe sehr, dass noch mehr überlebt haben. Doch die werden sich auf eigene Faust in die Heimat durchschlagen müssen. Wir können nicht warten.« Oisin schüttelte es, als habe er Fieber. Rasch fasste er sich wieder und gab das Zeichen zum Abmarsch.
»Was wollen wir tun?«, fragte Ciara bedrückt.
Ihr Bruder stieß Luft durch die Zähne. »Erst einmal so schnell wie möglich laufen, damit uns die Engländer nicht erwischen. Dann schleichen wir uns durch Irland, bis wir zu Hause sind, packen alles ein und fliehen zu unserem alten Turm in Tir Chonaill. Mit so wenigen Kriegern, wie mir noch geblieben sind, kann ich das Ui’Corra-Tal nicht halten. Hoffen wir, dass die Engländer uns am Meer in Ruhe lassen. Etwas anderes als das bleibt uns nicht übrig.«
Da Oisin während der Flucht die Scheide verloren hatte, legte er sein Schwert über die Schulter und schritt
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