Feurige Schatten - Carriger, G: Feurige Schatten - Heartless (04)
die nackte Haut von Armen, Gesicht und Hals. Es war widerlich. Alexia versuchte sie abzustreifen, doch sie blieben dabei an ihren Handflächen kleben.
Es schien keine Möglichkeit zu geben, den Tank zu öffnen. Das war von Madame Lefoux nicht vorgesehen.
Allmählich brannte Lady Maccon darauf, das Kreischen zu beenden. Außerdem wurde ihr mehr und mehr bewusst, dass sie wertvolle Zeit verschwendete. Sie musste raus aus der Erfinderwerkstatt und Madame Lefoux’ verrückten Plan vereiteln, die Königin mithilfe eines Monsters zu töten. Ihr ging noch immer nicht in den Kopf, warum ausgerechnet Genevieve etwas Derartiges tun wollte.
Verzweifelt drehte sie ihren Sonnenschirm um, holte so weit aus, wie es ihr Zustand erlaubte, und schwang ihn mit aller Kraft. Der harte, wie eine Ananas geformte Knauf traf die Seite des Tanks, dessen Glas an dieser Stelle einen Sprung bekam, dann brach es, und die gelbe Flüssigkeit ergoss sich nach draußen, zusammen mit einem unbeschreiblichen Gestank. Hastig wich Lady Maccon, ihre gerüschten Röcke raffend, vor der giftigen Flüssigkeit zurück. Ihre Augen begannen zu brennen und tränten. Sie hustete und versuchte, in flachen, kurzen Zügen zu atmen. Zum Glück wurde der Großteil der Flüssigkeit schnell von dem festgestampften Lehmboden der Erfinderwerkstatt aufgesogen.
Der Leichnam im Innern kippte gegen die zerborstene Seite des Tanks, eine Hand baumelte durch das zerbrochene Glas nach draußen. Schnell zog Alexia ihren Handschuh aus und trat wieder näher. Sie berührte die kalte Hand nur ganz kurz, und mit einem Mal war es vorbei.
Das Wehklagen verklang, die nebelhaften Körperteile verschwanden, aufgelöst im Äther. Alles, was blieb, war das Klappern von Madame Lefoux’ Maschinen.
»Mögen Sie Ihren Frieden finden, Ehemalige Lefoux«, sagte Alexia.
Reuevoll warf sie einen Blick auf das Chaos, das sie angerichtet hatte, auf das zerbrochene Glas, den geborstenen Tank, den toten Körper. Sie verabscheute solche Unordnung, aber sie hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern, dass hier aufgeräumt wurde. Stattdessen drehte sie sich um und watschelte zurück, aus dem Labor und in den Gang. Sie hoffte, dass sich die Kundschaft über ihr immer noch um die Haarwärmer zankte, denn diesmal hatte sie keine Zeit, sich eine Möglichkeit einfallen zu lassen, wie Madame Lefoux’ geheimer Eingang unentdeckt bleiben konnte. Sie musste ihre Freundin davon abhalten, etwas Unbedachtes zu tun. Und, was fast ebenso wichtig war, sie musste dringend herausfinden, warum Madame Lefoux dies tun wollte. Wie kam eine derart intelligente Frau auf den Gedanken, einen Frontalangriff auf den Buckingham Palace zu führen, um die Königin von England zu töten?
Zum Glück war die Haarwärmer-Besessenheit immer noch nicht abgeklungen. Niemand nahm davon Notiz, als Lady Maccon wie eine fußlahme Gans durch die Tür in der Wand trat, um sich dann einen Weg durch die Unzahl baumelnder Hüte und hinaus aus dem Laden zu bahnen. Ein paar der Damen machten Bemerkungen über den Geruch nach Formaldehyd, und ein oder zwei bemerkten, wie die vornehme Lady würdelos in ihre schicke Kutsche kletterte, doch nur wenige dachten daran, diese beiden Dinge miteinander in Verbindung zu bringen. Die erste Verkäuferin schon, und sie nahm sich vor, ihrer Herrin alles zu erzählen, bevor sie sich wieder den plötzlich so drastisch angestiegenen Haarwärmerbestellungen widmete.
Lady Maccon erinnerte sich, dass Madame Lefoux davon gesprochen hatte, bei der Pantechnicon Company eine Lagerhalle zu mieten, um dort ihre neueste Konstruktion zusammenzubauen. Alexia wusste nicht, wo sich die Hallen der Lagerfirma befanden, allerdings hatte sie von Pantechnicon gehört, in deren Hallen zum Beispiel auch die Giffards, Inc. ihre Luftschiffflotte untergebracht hatte und wartete. Außerdem lagerte und vertrieb Pantechnicon noch eine Menge Möbel, und schon allein der Gedanke, dass eine wohlerzogene Dame aus gutem Hause einen solchen Ort aufsuchte, war skandalös. Dort würden Tische herumliegen, und zwar verkehrt herum, mit entblößten Tischbeinen! Alexia erschauderte bei der bloßen Vorstellung.
Aber manchmal musste eine Muhjah sich an Orte begeben, die eine Lady Maccon niemals aufsuchen würde, deshalb gab sie ihrem Kutscher eine entsprechende Anweisung und vertraute darauf, dass er damit etwas anfangen konnte.
Tatsächlich lenkte er die Kutsche nach Belgravia, einen zutiefst zweifelhaften Teil Londons.
Nachdem sie eine Zeit lang
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