Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
der arbeitenden Klasse um. Er sprach mit Puritanern, Quäkern und Rundköpfen. Er machte am Temple Station und sprach mit den Goldschmieden. Er besuchte die Märkte und hörte sich an, was die Händler zu sagen hatten. Er ritt von Whitehall zu den Docks von London. Er sprach mit Frauen und Handwerksgesellen, Geistlichen und Kutschern, Garküchenbesitzern und den Flussschiffern, die die Themse befuhren.
Montgomery kehrte nach Hause zurück und ging in sein Kontor. Er holte den versiegelten Brief aus der Schreibtischlade und wog ihn in der Hand. Tief in Gedanken und von Enttäuschung aufgewühlt, wog er ernst seine Mission im Spiel der Mächte ab. Gewöhnt, eine aktive Rolle zu spielen, zu befehlen und Menschen und Ereignisse um sich herum zu lenken, war das Kritzeln geheimer Nachrichten für sein Temperament eine zu passive Tätigkeit.
Nachdem alles erwogen war, stand sein Entschluss fest. Er steckte den Brief in die Tasche. Das ist die letzte Nachricht, die ich schreibe. Er griff nach einem leeren Blatt Papier, faltete es zusammen und steckte es in einen frischen Umschlag. Dann siegelte er ihn mit Wachs und wartete auf den Kurier.
10
Edinburgh, Schottland
Greysteel Montgomerys Blick bohrte sich in George Moncks runde Augen, als die Männer einander über den massiven Eichenholzschreibtisch des Generals hinweg maßen.
Monck öffnete einen Umschlag und entnahm ihm einen leeren Briefbogen. »Das kam vor zwei Tagen mit dem Kurier.« Er zog die Brauen in die Höhe.
»Da dies mein letzter Bericht ist, beschloss ich, ihn persönlich abzuliefern.« Als Montgomery dem General das versiegelte Schreiben übergab, bemerkte er, dass Monck keinen Ärger erkennen ließ. Er braucht seine Wut nicht zu zügeln – sein Temperament ist unerschütterlich. Greysteel beobachtete ihn bei der Lektüre des Briefes und sah, dass Moncks Miene unverändert blieb. Leider sind seine Gedankengänge undurchdringlich.
»Ach … Cromwell ist also tot. Wie wurde die Nachricht aufgenommen?«
Montgomery hatte Monck immer die ungeschminkte Wahrheit gesagt und hielt es nun auch so. »Nicht einmal die Hunde vergossen eine Träne.«
Monck nickte. »Gebt mir eine Einschätzung seines Sohnes Richard.«
»Er hatte es eilig, in die Spuren seines Vaters zu treten und wurde Protektor, doch wenn ein Mann von Oliver Cromwells eiserner Willenskraft nicht fähig war, England zusammenzuhalten, wird sein schwacher, unfähiger Sohn mit ansehen müssen, wie das Land im Chaos versinkt.«
»Pleiten-Dick«, murmelte Monck.
»Genau.« Montgomery befürchtete eines: Strebte General Monck, der militärische Erfahrung, die Macht des Amtes und die diszipliniertere Armee hatte, das Amt des Protektors selbst an?
Moncks quadratische Hände ruhten auf seinem Schreibtisch. Die plumpen Finger gegeneinander stützend sagte er unumwunden: »Ich werde Richard Cromwell freudigen Herzens zum neuen Protektor in Schottland ausrufen. Mal sehen, wie er sich macht – bei ausreichendem Handlungsspielraum.«
Du wünschst dir freudigen Herzens, dass er sich aufhängt!
»Ihr seid Befehlshaber der Protektoratsstreitmacht in Schottland. Falls Richard Cromwell zu wanken beginnt, werdet ihr dann einschreiten und ihn unterstützen?«
Monck schwieg kurz und sagte sodann: »Als Alternative bliebe nur, ihn hinwegzufegen und für einen neuen Herrscher Platz zu machen.«
Montgomery wollte eine direkte Antwort, wusste aber, dass Monck zu vorsichtig war, um ihm eine zu liefern. »Ihr verfügt über die Macht, das Amt des Protektors an Euch zu reißen, doch würde dann die alleinige Verantwortung für das Königreich auf Euren Schultern lasten. Es gäbe eine Möglichkeit, Ehre und Sicherheit zu erlangen – in Verbindung mit Macht. In einer restaurierten Monarchie würde Euer militärischer Ruf Euch befähigen, Oberbefehlshaber des Heeres zu werden. Es ist denkbar, dass Ihr auch hoch geschätztes Mitglied des Kronrats werden könnt. Würdige Ziele für einen Mann, der ein halbes Jahrhundert erreicht hat.«
»Obschon Ihr als Agent für mich tätig wart, wurdet Ihr in Eurer Loyalität zu Charles Stuart nie schwankend.«
»Niemals.«
»Ich nehme an, es geschah auf Euren Rat hin, dass Chancellor Hyde mir ein geheimes Kommuniqué schickte.«
»Habt Ihr darauf geantwortet, General?«
»Ihr könnt mir ruhig ein wenig Scharfsinn zubilligen.«
»Das tue ich. Ihr seid viel zu vorsichtig, um etwas dem Papier anzuvertrauen. Falls Ihr aber an verbale Kommunikation denkt, könnte ich als
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