Feuriger Rubin: Roman (German Edition)
Immer habe ich das Gefühl, es heiße mich willkommen.«
Montgomery stand wie an jedem Tag seines Lebens zeitig auf. Auch Charles war Frühaufsteher und unternahm oft schon bei Sonnenaufgang einen flotten Marsch durch den Park von St. James, doch seinem Freund war klar, dass der König an diesem Morgen im Bett verweilen würde.
Greysteel rasierte sich und beeilte sich mit seiner Toilette, um das Badezimmer nicht zu lange zu beanspruchen. Wieder in seinem Gemach, wo er sich ankleiden wollte, hörte er die Diener des Königs im Raum nebenan rumoren.
Er war erleichtert, dass die abendliche Unterhaltung vorüber war, und freute sich auf die Rennen auf den Epsom Downs. Pferde waren seine Leidenschaft. Hoffentlich hält das Wetter. Er trat ans Fenster, um nach Wolken auszuschauen.
Montgomery zog die Brauen zusammen, als er eine Karosse sah, die sich dem Haus näherte. Wer zum Teufel kann das sein?, fragte er sich unmutig. Hätten wir noch mehr Leute gewollt, hätten wir sie eingeladen. Da erkannte er das Schimmelgespann und riss erschrocken die Augen auf. Mit einem wüsten Fluch lief er aus dem Raum, trat nebenan ein, ohne anzuklopfen und sprach die Leibdiener des Königs an. »Gut, dass Ihr angezogen seid. Seine Majestät bedarf unverzüglich Eurer Dienste.« Er schickte sie in den Raum, den er eben verlassen hatte, und querte den Gang zum großen Schlafgemach.
Dort klopfte er flüchtig an, wartete aber eine Antwort nicht ab. Er war erleichtert zu sehen, dass der König die Augen schon offen hatte, wenn auch die Frau an seiner Seite noch fest schlief.
»Sire, Barbara ist da! Ihr Wagen ist auf der Zufahrt. Jemand muss ihr verraten haben, dass Ihr hier seid.«
Charles warf die Decke zurück. »Verdammt, sie wird überschnappen! Hast du jemals Barbaras Tiraden gehört?«
»Sire, ich werde hier Euren Platz einnehmen. Eure Diener erwarten Euch in dem Gemach gegenüber.« Hastig suchte er die Kleider des Königs zusammen und drückte sie ihm in die Hand. »Vergesst das nicht.«
Als sich die Tür hinter Charles schloss, streckte sich die Frau im Bett und schlug gähnend die Augen auf.
»Guten Morgen, Mistress Rose. Ein frühes Ungewitter droht. Ich bitte Euch, schlaft weiter, bis es sich verzogen hat.«
20
Velvet öffnete die Haustür und ging in die große Halle von Roehampton voraus. »Außer einer Haushälterin haben wir hier kein Personal.« Als sie um sich blickte, gewann sie den Eindruck, dass etwas verändert war. Möbel und Kissen schienen nicht an Ort und Stelle, ein sonderbarer Duft lag in der Luft.
»Fühlt Euch wie zu Hause, Barbara.« Sie legte den Hut auf einen Hallentisch und öffnete eines der Maßwerkfenster. Dann hob sie den Blick und starrte zu den eichenen Deckenbalken hoch, die ächzten. Sie lauschte aufmerksam, da sie glaubte, gedämpfte Geräusche zu hören.
Auch Barbara hörte etwas. »Dort oben ist jemand, oder es spukt hier.«
»Das muss Mrs Clegg sein.« Velvet ging an den Fuß der Treppe. »Bertha«, rief sie leise und ging hinaus, um nachzusehen. In der oberen Halle angelangt, sah sie, dass alle sechs Schlafzimmertüren geschlossen waren. Das kam ihr sonderbar vor, da sie meist halb offen standen, wenn die Räume nicht bewohnt wurden. Sie drehte den Türknauf ihres eigenen Zimmers, und die Tür schwang lautlos auf.
Ungläubig starrte sie die Szene an, die sich ihr darbot. Ihr Mann stand stumm neben ihrem gemeinsamen Bett. Eine nackte Frau mit wirren blonden Locken lag inmitten der völlig durcheinander geratenen Decken. »Du lieber Gott«, brachte Velvet heraus, als sie die Tänzerin aus dem Theater erkannte. Wie in Trance trat Velvet zurück und schloss leise die Tür. Betäubt wie ein Vogel, der gegen eine Mauer geprallt war, ging sie langsam die Treppe hinunter.
Barbara, die eben damit beschäftigt war, ihre Strumpfbänder zurechtzuziehen, blickte nicht auf.
»War es ein Einbrecher, der das Haus ausraubt?«
Velvet hörte die Schritte hinter sich gar nicht.
Der König kam in Strümpfen herunter. Er trug ein Spitzenhemd und Breeches. »Kein Einbrecher, aber ein Spitzbube.«
»Charles!«, rief Barbara entzückt aus.
»Welchem Umstand verdanke ich dieses Vergnügen, meine Teuerste?«
»Du hast mir so sehr gefehlt, dass ich beschloss, dich zu überraschen und auch zu den Rennen zu kommen. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, dass ich dich auf Roehampton treffen würde.«
Charles verbeugte sich galant vor Velvet, deren blutleere Lippen ihm nicht entgingen. »Lady
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