Fever Pitch
tun wollte, das aus mir womöglich eine interessante Person gemacht hätte. Also arbeitete ich einige Tage in der Woche bei Boots, ging hin und wieder zur Schule und hing mit den wenigen mir bekannten Leuten herum, die noch nicht aufs College gegangen waren.
Fußball fehlte mir nicht besonders. Ich hatte in der zehnten Klasse eine Gruppe von Freunden gegen eine andere eingetauscht: Die Fußballclique, die mich durch die ersten fünf Oberschuljahre gebracht hatte, Frog, Larry alias Caz und der Rest, erschienen mir inzwischen weniger interessant zu sein als die depressiven und äußerst lakonischen jungen Menschen in meiner Englischklasse, und auf einmal bestand das Leben nur noch aus Saufen und weichen Drogen, europäischer Literatur und Van Morrison. Meine neuen Freunde scharten sich um Henry, der, gerade auf unserer Schule gelandet, bei den Schulwahlen als zorniger Maoist antrat (und gewann), in Pubs all seine Kleider auszog und letztlich in einer Art Irrenanstalt endete, nachdem er Postsäcke aus der örtlichen Bahnstation gestohlen und in eine Baumkrone geworfen hatte. Kevin Keegan und sein verblüffendes Arbeitspensum schienen, vielleicht verständlicherweise, im Vergleich dazu langweilig. Ich sah mir Fußball im Fernsehen an, und ging zwei- oder dreimal zu QPR – in der Saison, in der sie mit Stan Bowles und Gerry Francis beinahe die Meisterschaft gewonnen hätten – und erlebte dort die Art von elegantem Fußball, der Arsenal nie wirklich interessiert hatte. Ich war jetzt ein Intellektueller, und Brian Glanvilles Artikel in der SUNDAY TIMES hatten mich gelehrt, daß Intellektuelle verpflichtet waren, Fußball eher wegen seiner Kunstfertigkeit als wegen seiner Seele anzusehen.
Meine Mutter hat keine Brüder und Schwestern – all meine Verwandten sind väterlicherseits –, und die Scheidung meiner Eltern isolierte sie, meine Schwester und mich vom laubreicheren Zweig der Familie, zum Teil aufgrund unserer eigenen Entscheidung, zum Teil aufgrund der geographischen Entfernung. Mir wurde suggeriert, daß während meiner Teens Arsenal ein Ersatz für eine größere Verwandtschaft war, und obwohl das die Art von Rechtfertigung ist, die ich gerne akzeptieren würde, fällt es selbst mir schwer zu erklären, wie Fußball imstande gewesen sein soll, in meinem Leben die Funktion von ausgelassenen Cousins, lieben Tanten und altväterlichen Onkeln zu übernehmen. Es hatte eine gewisse Art von Symmetrie, als mein Onkel Brian anrief, um mir zu sagen, daß er seinen arsenalverrückten Dreizehnjährigen nach Highbury mitnehme, und mich fragte, ob ich sie begleiten wolle: Vielleicht würden sich mir jetzt, wo der Fußball aufhörte, eine so starke Bedeutung für mein Leben zu haben, die Freuden eines umfangreichen Familienlebens erschließen.
Es war eigenartig, Michael, einer jüngeren Ausgabe von mir, dabei zuzusehen, wie er für sein Team Höllenqualen litt, als es in 0:3-Rückstand geriet und sich zurück ins Spiel mühte (Arsenal verlor 2:3, ohne daß sich ein Punktgewinn je wirklich ernstlich abzeichnete). Ich konnte seine heftige Erregung an seinem Gesicht ablesen und fing an zu verstehen, wie Fußball für Jungs dieses Alters so viel bedeuten konnte: In was konnten wir uns sonst verlieren, nachdem Bücher allmählich zu harter Arbeit geworden waren und bevor sich Mädchen als der Mittelpunkt des Interesses erkennen ließen, der sie, wie ich mittlerweile entdeckt hatte, waren? Als ich da so saß, wußte ich, daß es für mich vorbei war, die Highbury-Szene. Ich brauchte sie nicht mehr. Und natürlich war das traurig, weil diese sechs oder sieben Jahre sehr wichtig für mich gewesen waren und mein Leben in vielerlei Hinsicht gerettet hatten, aber es war an der Zeit, weiterzuziehen, mein akademisches und romantisches Potential auszuschöpfen und den Fußball denjenigen zu überlassen, deren Vorlieben weniger anspruchsvoll oder nicht so stark ausgeprägt waren.
Vielleicht würde Michael die Sache für ein paar Jahre über
nehmen, bevor er sie dann seinerseits an irgend jemand weitergab. Es war schön sich vorzustellen, daß das nicht alles vollkommen aus der Familie verschwand, und vielleicht würde ich eines Tages zurückkehren, mit meinem eigenen Jungen.
Meinem Onkel oder Michael gegenüber erwähnte ich davon nichts – ich wollte Michael nicht herablassend behandeln, indem ich auch nur irgendwie durchblicken ließ, daß ich Fußballfieber für eine Kinderkrankheit hielt –, aber als wir aus dem Stadion
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