Fey 01: Die Felsenwächter
trafen eine Substanz, die so glatt wie Eis und so fest wie Metall war. Die Tür im Lichtkreis stand offen. Hinter ihr sahen sie ein weißes Licht und keinen Boden. Die drei entführten Inselbewohner schwebten im Griff der Fey zu Häusern, die aus dem Licht ragten. Dann senkte sich Dunkelheit über die Szenerie.
Theron fiel vorwärts in den Ring und landete mit dem Gesicht zuerst im feuchten Gras. Neben ihm grunzte Kondros, dem es ebenso ergangen war; Cyta krümmte sich am Boden.
»Das war kein Zufall«, keuchte er. »Sie wußten Bescheid.«
Sie hatten es gewußt. Und sie hatten es darauf abgesehen, Gefangene zu machen. Gefangene, die Weihwasser bei sich trugen. Vielleicht konnten die drei wieder entkommen. Aber wären es Therons Gefangene, hätte er ihnen als erstes die Waffen abgenommen.
»Sie wollten Weihwasser in ihre Gewalt bringen«, stimmte er zu. »Und wir haben sie nicht daran gehindert.«
»Wir wurden überrumpelt«, wandte Kondros ein.
»Ich wußte es«, sagte Theron leise. »Unser Plan war unzulänglich. Deswegen habe ich auch so viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Ich habe fast das Gefühl, der König wollte uns absichtlich opfern. Wenn er die Fey wirklich auf einen Schlag überwältigen wollte, warum hat er dann so wenig Männer ausgeschickt? Verläßt man sich damit nicht zu sehr auf eine einzige Waffe?«
»Es hätte klappen können«, wandte Cyta ein. »Du hast selbst gesehen, wie es ihre Körper angreift.«
»Ja«, sagte Theron. »Und Feuer verbrennt Holz. Es verbrennt auch unsere Körper. Aber Eisen schmilzt es.«
»Wir müssen hier raus«, knurrte Kondros.
Theron rappelte sich mühsam hoch. Er wischte sich den Schmutz aus dem Gesicht. Wie viele Tote? Wie viele Verwundete? Er hatte sich immer geschworen, im Falle eines Angriffs zusammen mit seinen Männern zu sterben. Wie konnte er jetzt noch weiterleben?
»Kein Grund zur Eile«, entgegnete Cyta. »Wenn sie uns alle töten wollten, hätten sie es längst getan.« Er ergriff Kondros’ Hand und zog ihn hoch. »Nein. Sie wollen, daß wir zurückkehren und den Vorfall berichten.«
»Sie wissen genau, daß es allen Angst einjagen wird, daß sie jetzt im Besitz des Weihwassers sind«, meinte Theron.
»Sie wollen, daß wir wissen, wer hier im Vorteil ist«, bestätigte Kondros. Theron ignorierte Cytas ausgestreckte Hand. Er stand allein auf. »Sie sind nicht im Vorteil. Sie haben sich eine Festung gebaut, die wir nicht stürmen können, aber diese Festung steht auf unserem Land. Sie sitzen in der Falle. Wenn wir wollen, können wir sie alle töten. So leicht lassen wir uns keine Angst einjagen.«
Jedenfalls hoffte er das. Er seufzte und ließ die beiden anderen am Rand des Erdrings stehen. Er selbst ging langsam auf den Wald zu, um nachzusehen, ob außer ihnen noch jemand am Leben geblieben war.
43
Solanda trippelte die dunkle Straße entlang. Das Kopfsteinpflaster unter ihren Pfoten fühlte sich kalt und hart an. Obwohl der Hafen noch weit entfernt war, roch es überwältigend nach Fisch. Sie schluckte einen Schwall Speichel hinunter und schwor sich, daß sie sich sofort nach diesem Auftrag einen ganzen Lachs gönnen würde.
Die Häuser waren immer noch dunkel und still. Die meisten Leute schliefen. Ein paar von ihnen waren mit den Booten hinausgefahren, aber Solanda war ihnen aus dem Weg gegangen. Die Inselbewohner hatten eine Vorliebe für Katzen. Immer wenn sie Solanda entdeckten, lockten sie sie herbei und boten ihr etwas zu fressen an. Den Lockrufen konnte sie wohl widerstehen, aber nicht den Leckerbissen. Eine Frau hatte ihr eine Hühnerleber hingehalten, sie erst gestreichelt und dann mit in ihr Haus genommen und eingesperrt. Solanda hatte die Nacht abwarten müssen, um wieder ihre menschliche Gestalt anzunehmen und die Tür zu öffnen. So etwas durfte nicht noch einmal vorkommen.
Besonders nicht heute abend. Rugar hatte sie bei Vollmond ausgesandt. Sie war leise durch den Wald geschlichen und, als sie einen Trupp sich nähernder Inselbewohner bemerkte, froh gewesen, daß sie sich rechtzeitig im Schattenland verwandelt hatte. Ein Kampf direkt vor dem Torkreis. Diese Inselbewohner wußten nicht, worauf sie sich einließen. Solanda hatte bedauert, den Ausgang des Kampfes zu verpassen. Den Sieg. Nachts schlief sie auf einer alten Matratze, die sie aus einem der Viehställe gestohlen hatte – gestohlen und geflickt, ganz allein, denn die Domestiken waren zu beschäftigt –, und ließ in Gedanken die erfolgreichen
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