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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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die Zähne zusammen und trat in die kleine Pfütze.
    Das Wasser war noch viel kälter, als er erwartet hatte, und er unterdrückte einen Schrei, als der schmerzhafte Schock von den Füßen in die Beine schoß. Er mußte sein Gewand anheben, um den Saum vor der Nässe zu schützen. Er ging zum Fenster und schob den Gobelin beiseite. Er war so naß, daß er dreimal so schwer wog wie sonst. Modergeruch schlug ihm aus dem Gewebe entgegen.
    Der Regen fiel schräg gegen die Mauer und peitschte dem Rocaan direkt ins Gesicht. Es war so dunkel, daß er nicht einmal den Fluß unterhalb des Tabernakels erkennen konnte. Falls es so etwas wie eine Morgendämmerung gab, wurde sie durch die unnatürlich dichten Wolken völlig verdeckt. Gestern hatte er in den alten Aufzeichnungen nach Berichten über einen vergleichbaren Sommer gesucht, aber niemals, in keiner dieser über die Jahrhunderte hinweg verfaßten Dokumentationen, hatte es auf der Blauen Insel einen so endlosen, dunklen, winterartigen Regen gegeben.
    Unter den Auds wurde geflüstert, dieser Regen sei die Strafe des Heiligsten für die Bestechlichkeit der Rocaanisten und Kirchenführer. Sollte dem Heiligsten etwas mißfallen, so wäre Er gewiß noch viel unzufriedener mit dem Vorgänger des jetzigen Rocaan gewesen, der, so glaubte jedenfalls der derzeitige Amtsinhaber, mehr an luxuriösen Gottesdiensten interessiert war als an dem Seelenheil der Menschen.
    Die Traditionalisten waren der Ansicht, der Regen sei der Beginn des Jüngsten Tages, von nun an gleite die Welt unaufhaltsam immer tiefer in die Dunkelheit, bis der Heiligste in seiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit alle Gläubigen zu sich rufe.
    Gestern hatte der Rocaan alle Ältesten versammelt und sie nach ihrer Meinung befragt. Fedo, dessen Meinung auf seiner profunden Kenntnis der Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte fußte, war der Ansicht, dieser Regen sei nur eine Plage, um die Standfestigkeit der Gläubigen zu prüfen. Porciluna leitete aus den Geschriebenen und Ungeschriebenen Worten ab, der Regen sei ein Wunder, das Gott schon vor langer Zeit versprochen habe. Matthias schließlich, gesegnet sei sein ketzerisches Herz, schlug ohne jegliche Gelehrsamkeit vor, der Regen sei vielleicht nichts weiter als Regen, wenn auch ungewöhnlich, unerfreulich und ärgerlich.
    Insgeheim teilte der Rocaan Matthias’ Meinung. Er verabscheute es, den Göttern Motive zu unterstellen, für die der gesunde Menschenverstand einfache, einleuchtende Ursachen finden konnte.
    Wasser lief über sein Gesicht und hinterließ Flecken auf seinem Gewand. Er ließ den durchweichten Wandteppich wieder gegen das Fenster fallen. Seine Füße waren taub. Er schlurfte durch die Pfütze und blieb vor dem Altar stehen, um den Weihrauch anzubrennen. Dann kniete er erneut auf dem Kissen nieder und jammerte leise, als der nasse Stoff unter seinem Gewicht nachgab.
    Er neigte den Kopf zur inneren Einkehr und ließ noch einmal die Ereignisse des gestrigen Tages an sich vorbeiziehen. Früher hatte auch er geglaubt, was allen Kindern beigebracht wurde: daß der Heiligste noch die leiseste Stimme hörte und sie mit der Geschwindigkeit des Windes in Gottes Ohr leitete. Je älter er wurde, desto schwerer fiel es ihm, bei diesem einfachen Glauben zu bleiben. Er hatte mit leiser und bescheidener, aber auch mit lauter, böser Stimme zum Heiligsten gesprochen, und keines seiner Gebete schien jemals erhört worden zu sein. Manchmal glaubte er, die Gottheiten säßen vor der Ewigen Flamme, der Roca von Gottes Hand umfaßt und der Heiligste an seinem Ohr, und machten sich über die Bitten der armen Menschen auf Erden lustig.
    Für einen Rocaan war das nicht gerade der richtige Gedanke, um ihn auf den Flügeln des Heiligsten zum Himmel zu entsenden. Er beugte den Kopf und unternahm einen erneuten Versuch. All diese Ausschmückungen des frühen Glaubens konnten die langen Jahre der Enttäuschungen nicht wegwischen. Nicht einmal der würzig-süße Geruch des Weihrauchs weckte jene freudigen Gefühle in ihm, die er als junger Danite während des Predigens der Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte entlang des Cardidas empfunden hatte.
    Er wünschte, er könnte sich noch einmal mit der alten Frau unterhalten, die in seinem ersten Jahr als Prediger zu ihm gekommen war. Sie war nach dem Frühgottesdienst erschienen, mit altersweisem Gesicht und eingefallenem, zahnlosem Mund.
    Du bittest uns, unser Leben dem Heiligsten zu weihen, sagte sie mit zitternder Stimme,

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