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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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Geräusch, das er nicht mehr vernommen hatte, seit er als Kind mit seinem Vater fischen gegangen war. Ein Mann imitierte den Schrei eines Tieres, um seine Kameraden wortlos zu warnen. Es war ein Tier, das der Rocaan nicht kannte. Ein vereinbartes Signal, dem verabredete Handlungen vorausgegangen sein mußten. Der Kapitän eines Frachtschiffes würde niemals einen solchen Schrei ausstoßen.
    Der Rocaan ergriff die Kerze und stellte sie vor die Tür, vorsichtig darauf bedacht, dem schmalen Rinnsal auszuweichen, das inzwischen bis in den Gang vorgedrungen war. Dann ging er in den kleinen Andachtsraum zurück und schloß die Tür hinter sich. Er wartete einen Augenblick, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und trat dann ans Fenster zurück.
    Diesmal band er den Teppich beiseite und starrte auf den Fluß hinunter. Er vernahm Wassergeplätscher und leise Stimmen, aber sosehr er sich auch konzentrierte, gelang es ihm nicht, die Worte zu verstehen. Er kniff die Augen zusammen, bis er die Umrisse der Schiffsmaste erkennen konnte. Es waren Dutzende, die nun langsam wieder wie eine geisterhafte Invasion in der Dunkelheit verschwanden.
    Würde eine Flotte auf der Blauen Insel erwartet, hätte er davon gewußt. Er hätte die Auds angewiesen, sich um das leibliche Wohl der Ankommenden zu kümmern, die Daniten als Seelsorger zu den Gästen geschickt, dazu Geistliche, um den Kontakt zur organisierten Kirche in die Wege zu leiten, ja, vielleicht sogar einen oder zwei der Ältesten, wenn der Besuch bedeutend genug für politische Beziehungen war. Aber das hier war etwas anderes. Er wußte noch nicht, weshalb. Er mußte sich mit jemandem beraten. Mit einem vertrauenswürdigen Menschen, der diese Dinge durchschaute.
    Ohne den Wandteppich wieder zu schließen, verließ er das Zimmer. Ein komisches Gefühl, auf tauben Füßen zu laufen. Als er sich zu seiner Kerze hinunterbeugte, bemerkte er, daß seine Füße blau angelaufen waren. Heute durfte er sich nicht mehr in diesem Raum aufhalten. Es war gewiß nicht des Höchsten Wille, daß ein Mann seine Füße verlor, um Gottes Segen zu erringen. Während er die Stufen erklomm, hielt er sich Halt suchend an der Wand fest, denn er hatte Mühe, mit seinen tauben Füßen die Höhe der Stufen einzuschätzen. Als er im Korridor ankam, übergab er seine Kerze einem Wachposten.
    »Hol mir schnell den Ältesten Matthias«, sagte er. Dann ging er in seine Gemächer zurück.
    Wie immer hatte in der Zwischenzeit jemand das Feuer angefacht und eine Schüssel daneben gestellt. Er warf einen Blick auf die warme, frisch gemolkene Ziegenmilch und biß dann in eines der Brötchen, die die Diener jeden Morgen frisch buken. Das Brot war noch heiß und teigig in der Mitte, genau so, wie er es gerne mochte. Dann zog er sein Gewand aus und ließ es achtlos auf dem Boden liegen, warf sich statt dessen seine Amtstracht über, die weiche rote Samtrobe, deren dicker Stoff ihn sofort wohlig wärmte. Er setzte sich auf die Fliesen und streckte die Füße in Richtung Feuer. Die nachlassende Betäubung rief zuerst das Gefühl von tausend Nadelstichen hervor, das jedoch nur zu bald in marternde Schmerzen überging, als sich seine Füße zusehends erwärmten. Er umfaßte sie und stellte überrascht fest, daß nur die Sohle warm war, nicht der Spann. Er preßte sie zusammen, als minderte der Druck den Schmerz.
    Da klopfte es an der Tür.
    Er seufzte und rutschte vom Feuer weg. Langsam und vorsichtig setzte er sich in seinen Sessel und stellte die Füße auf den Boden. Er wischte sich die Augen, schluckte und rief, ohne weiter auf seine Schmerzen zu achten: »Seid willkommen.«
    Die Tür öffnete sich, und Matthias trat ein, bereits zu dieser frühen Stunde untadelig in seinen gebügelten, schwarzen Talar gekleidet, der bei jeder seiner Bewegungen leise rauschte. Sein einziges Zugeständnis an die ungewöhnliche Uhrzeit war die Tatsache, daß er kein Barett trug. Sein Haar war jedoch gekämmt, und er hatte sich frisch rasiert.
    »Ich hoffe, Heiliger Herr, daß sich nichts Unschönes zugetragen hat«, eröffnete Matthias die Unterhaltung in beiläufigem Tonfall.
    »Das hoffe ich ebenfalls«, sagte der Rocaan und biß die Zähne zusammen. Der Schmerz kam jetzt gleichmäßig, ab und zu von scharfen Stichen unterbrochen. »Ich möchte, daß Ihr in meinen Andachtsraum hinuntergeht, aus dem Fenster blickt und mir dann mitteilt, was Ihr gesehen habt.«
    Etwas überrascht neigte Matthias leicht den Kopf. Er war

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