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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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»Folge mir.« Sie ergriff seine Hand und zog ihn von dem sterbenden Jungen fort. Rugar stolperte über Körper, über sich windende Fey, die versuchten, ihn zu berühren, die ihre Hände nach ihm ausstreckten. Der Gestank war bestialisch: verbranntes Fleisch, Angst und einsetzende Verwesung, alles überlagert vom schlammigen Geruch des Flusses und den üblen Fischdünsten. Hände strichen über seine Knöchel. Wie ein aus dem Rhythmus geratener Chor erklangen die Schreie der Sterbenden, unmelodisch, aber voller ergreifendem Gefühl.
    Merkwürdig kalt lag Solandas Hand in der seinen, als gehörte auch sie schon zu den Toten. Sie hielt ihn fest, drückte seine Finger zusammen, grub ihre Nägel in seine Haut. Sie war ebenso entsetzt und verstört wie er selbst.
    Er blickte zu Eisenfaust, der immer noch neben der toten Frau kauerte. Einen Augenblick lang befürchtete Rugar, dieser schreckliche Tod könnte sich wie eine Epidemie verbreiten, wie eine Seuche, die sich unterschiedslos von einem auf den anderen übertrug. Aber Eisenfausts Gesichtszüge waren unverändert. Er war in sich zusammengesunken und wiegte sich langsam vor und zurück, als hätte ihm dieses Gemetzel den Verstand geraubt.
    Rugar wandte den Blick von Eisenfaust ab in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Es waren keine schwarzgekleideten Inselbewohner zu sehen. Sie mußten gespürt haben, daß sie hier ganze Arbeit geleistet hatten, und waren zu anderen Schauplätzen weitergezogen. Wie entsetzlich für sein Volk. Von Wesen angegriffen zu werden, über die sie nichts wußten, um dann auf diese furchtbare Art zu sterben.
    Als Solanda bei der Lagerhalle angekommen war, lief sie an der Rampe vorbei. Sie schlich an der Außenwand des Gebäudes entlang und hielt sich dabei immer im Schatten. Ihr Griff um Rugars Arm lockerte sich nicht. Es war kühl im Schatten, nur die Sonne verlieh dem Tag Wärme. Rugar fröstelte. Zumindest gab es hier keine Sterbenden, die ihre Hände nach ihm ausstreckten, niemanden, der seine ungeschützte Haut berühren konnte.
    »Beeil dich«, sagte Solanda, und erst dann begriff er, daß er in der Geborgenheit des Schattens seine Schritte verlangsamt hatte. Alles hatte sich auf kleine Einzelheiten und Bilder reduziert: die Kälte; Solandas trockene Hand in der seinen; eine einzelne Stimme, die sich über das Klagen erhob, dieses Klagen, das wie eine Verhöhnung des gewohnten Siegesrufes der Fey klang; Eisenfaust, angesichts der Zerstörung vor seinen Augen zusammengekauert wie ein Kind; das Sonnenlicht auf dem Fluß, das fröhlich in der verpesteten Luft flimmerte. Als Ganzes betrachtet war es zuviel. Als Einzelbild war es schlicht überwältigend.
    Solanda hatte jetzt das andere Ende der Lagerhalle erreicht. Dort war der Boden aufgeweicht, aber die einzigen Spuren, die zu sehen waren, stammten von einer Frau und einer kleinen Katze. Hier hatte sie sich versteckt, und hier hielt sie ihren Fund verborgen.
    Sie ließ seine Hand los und bückte sich. Rugar rieb seine blutleeren Finger. Ihre Nägel hatten winzige Abdrücke auf seiner Haut hinterlassen. Solanda bewegte sich mit der besonderen Vorsicht und Anmut, wie sie nur den Gestaltwandlern eigen war. Sie stützte sich mit einer Hand an die Holzwand des Gebäudes und langte, elegant das Gleichgewicht haltend, mit der anderen Hand unter die Treppenstufen.
    Das Jammern hatte aufgehört, so daß mit einem Mal das gedämpftere Stöhnen zu vernehmen war. Rugar lehnte sich gegen die Wand, stellte sich aber sofort wieder aufrecht hin, als er bemerkte, daß die hölzernen Bretter sich mit Wasser vollgesogen hatten.
    Auch Solanda hatte sich wieder aufgerichtet. Zwischen zwei Fingern ihrer linken Hand hielt sie einen Beutel. Mit der anderen Hand öffnete sie ihn vorsichtig und hielt ihn dann Rugar hin, damit er hineinspähen konnte.
    Der Beutel enthielt ein Fläschchen. Es war geformt wie ein Flakon, mit schlankem Hals und breitem Boden. Das Glas war diamantförmig geschliffen und glitzerte wie die Sonne auf einer bewegten Wasseroberfläche. Trotz des merkwürdigen, dreieckigen Umrisses konnte Rugar die Flüssigkeit im Inneren schwappen sehen. Die Flasche war mit einem Stöpsel verschlossen, der nicht anders aussah als alle anderen Stöpsel, die Rugar bis jetzt gesehen hatte.
    »Wie hast du das in die Finger bekommen?« fragte er. Obwohl ihn die bedrohliche Nähe dieses todbringenden Giftes erschauern ließ, starrte er fasziniert auf das Glas.
    Sie verschloß den Beutel wieder, indem sie das

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