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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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zurückkehren, als seine größten Sorgen sein alternder Körper und der unaufhörliche Regen gewesen waren. Niemals hätte er geglaubt, daß eine ganze Welt innerhalb eines Tages untergehen könnte, aber genau das war geschehen, und sein ganzes Leben war durch diesen Untergang ausgelöscht.
    Wäre es ein Verbrechen, wenn er jetzt auch noch seinen eigenen Körper vernichtete?
    Ein Mann muß lernen, seine Handlungen zu verantworten. Denn nur daran, wie er aus seinen Fehlern lernt, wird er gemessen werden.
    Aber am Ende seines Lebens durfte niemand so furchtbare Fehler begehen. Nichts in seinem ganzen Leben hatte den Rocaan auf die Ereignisse vorbereitet. Überhaupt nichts. Ein gerechter Gott dürfte eine solche Wahl niemals zulassen: die Wahl zwischen Hunderten toter Fey und Hunderten toter Inselbewohner. Natürlich hatte der Rocaan zugunsten seines eigenen Volkes entschieden.
    Was aber, wenn dies eine Prüfung war, ähnlich derjenigen, die der Roca kurz vor seinem Tode hatte bestehen müssen? Die Geschichte war dem Rocaan ebenso vertraut wie die Schmerzen, mit denen er allmorgendlich erwachte. Als der Roca gebeten wurde, sich zu entscheiden, ob er es vorzöge, seine eigenen Leute in eine hoffnungslose Schlacht zu führen, die sie nicht gewinnen konnten, oder statt dessen die Soldaten des Feindes zu töten, beschloß er, sich selbst zu opfern.
    Die Geschriebenen und Ungeschriebenen Worte äußerten sich unmißverständlich über dieses Opfer, sie berichteten, wie der Roca starb und dann in Gottes Hand aufgenommen wurde. Über das Schicksal seines Volkes und darüber, was aus den feindlichen Soldaten wurde, schwiegen sich die Worte jedoch aus.
    Bisher hatte sich der Rocaan ausschließlich mit den Ritualen und Zeremonien, die das Wunder begleiteten, auseinandergesetzt. Noch nie hatte er die Konsequenzen erwogen, die sich daraus für die Menschen ergaben. Das Kirchenrecht sagte nichts darüber aus, ob der Roca Erfolg mit dieser dritten Lösung gehabt hatte. Es beschäftigte sich nur mit der Tatsache, daß der Roca, ein Heiliger, in Gottes schützender Hand Zuflucht vor der Ewigen Flamme gefunden hatte und von diesem Moment an zu einem direkten Werkzeug des göttlichen Willens wurde.
    Aber was war der göttliche Wille? Und wie sollte der Rocaan, der weltliche Vertreter des Roca, etwas davon wissen?
    »Ihr braucht eine Lampe.«
    Der Klang von Matthias’ Stimme ließ den Rocaan zusammenzucken.
    »Ich ziehe die Dunkelheit vor«, sagte der Rocaan. »Sie verhüllt die schreckliche Wahrheit des Tages.«
    Matthias trat auf den Balkon. Die geöffnete Tür warf einen dreieckigen Lichtstrahl auf den Boden. Matthias’ blondes Haar war zerzaust, sein Gesicht zeigte Spuren der Anstrengung. »Zumindest haben wir überlebt«, sagte er.
    »Aber um welchen Preis?« fragte der Rocaan. Er streckte die Beine aus und fühlte den Schmerz in jedem einzelnen überanstrengten Muskel.
    Matthias ließ sich in den Stuhl neben ihm sinken. Für einen kurzen Augenblick überdeckte Matthias’ Schweißgeruch den Gestank des Todes. »Es blieb uns keine Wahl, Heiliger Herr.«
    »Wir haben nicht einmal über andere Möglichkeiten nachgedacht«, widersprach der Rocaan. »Wir sind blind dem Pfad gefolgt, den wir zu erkennen meinten. Vielleicht hätte ich mich selbst opfern sollen, so wie es der Roca vor vielen Jahrhunderten getan hat.«
    »Und was weiter?« fragte Matthias. »Sie hätten Euch abgeschlachtet, und keiner von uns hätte überlebt.«
    »Ich bin kein Erlöser«, sagte der Rocaan. »Ich habe nichts als Zerstörung gebracht.« Ohne auf den jähen Schmerz in Rücken und Füßen zu achten, stand er auf, ging zum Rand des Balkons und beugte sich über die Brüstung. Die Lichter im Hafen flackerten immer noch.
    »Der Roca wußte, daß er Gott gefällig war«, sagte Matthias.
    »Auch ein Rocaan darf auf Gottes Liebe hoffen«, erwiderte der Rocaan. Das Holz, auf dem seine Arme ruhten, war noch feucht. »Außerdem vergeßt Ihr, daß auch damals noch Menschen und feindliche Soldaten in diese Geschichte verwickelt waren. Ihr seid ein großer Gelehrter, Matthias. Was ist aus den Menschen geworden, die der Roca zu verteidigen schwor? Was aus den Feinden?«
    »›Der Feind ist allgegenwärtig, denn er lauert in uns selbst.‹«
    »Aus den Geschriebenen und Ungeschriebenen Worten vermag ich auch zu zitieren. Sie schweigen sich darüber aus. Gibt die Geschichte uns eine Antwort auf die Frage?«
    »Die Geschichte?« Die Verwirrung war Matthias’ Stimme

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