Fey 02: Das Schattenportal
ziemlich aufbrausend werden, wenn man sich nicht an seine Anweisungen hielt. Der Mann betrachtete sie immer noch. Sie konnte es nicht länger aushalten. Sie seufzte und schlüpfte in ihre Katzengestalt. Noch während sich der Körper verwandelte, umfing sie die Wärme des Katzenfells. Der Junge sah sie von Dellos Armen aus an. Seine Tränen waren vergessen. Zumindest dieser Trick faszinierte ihn.
Solanda sagte nichts, als sie zur Tür hinauseilte. Draußen blieb sie kurz stehen. Vielleicht hätte sie dem Jungen etwas sagen sollen. Aber er war noch viel zu jung, und es war ihm egal, ob sie sich den Annehmlichkeiten des Lebens hingab.
Ganz anders Rugar. Er würde toben, wenn er die Neuigkeiten erfuhr.
Inzwischen waren im Schattenland vereinzelt Leute auf den Beinen. Solanda sah einige Domestiken, die ihre morgendlichen Pflichten erfüllten, auch wenn sie nicht recht verstand, woher sie überhaupt wußten, daß es Morgen war. Der Nebel reichte ihr beinahe bis ans Kinn. Sie lief so rasch sie konnte und stieg dann die Treppe zu Rugars Hütte hinauf.
Das Holz war naß und glitschig. Warum hatten sie bloß diesen Nebel gemacht? Oder verschlechterte sich das Schattenland bereits wieder? Beim ersten Mal hatte ihr diese Verschlechterung große Angst eingejagt. Sie überlegte, ob sie sich in ihre Frauengestalt zurückverwandeln sollte, um an die Tür zu klopfen, ließ es aber sein. Sie stieß mit dem ganzen Körper gegen die Tür, so wie es eine richtige Katze tun würde.
Eine verschlafene Jewel zog die Tür auf. Das lange Haar fiel ihr ungekämmt auf den Rücken, und sie trug eine Webdecke, die ganz entfernt nach Zimt roch.
»Ich muß deinen Vater sprechen«, sagte Solanda. »Außerdem brauche ich Kleider und ein Frühstück.«
Jewel starrte sie einen Augenblick an. »Ja, ich freue mich auch, dich wiederzusehen«, sagte sie. »Ich habe mich schon gefragt, wo du geblieben bist. Ich hole meinen Vater sofort. Und hier, ein Umhang.«
Sie wand sich aus der Decke und ließ sie fallen. Solanda konnte nicht rechtzeitig davonspringen, und die Decke landete auf ihrem Kopf. Der Zimtgeruch war überwältigend. Sie streckte den Kopf gerade noch rechtzeitig unter dem Tuch hervor, um Jewel splitternackt über den Flur gehen zu sehen.
Solanda schnaubte abfällig. Dann kroch sie wieder unter die Decke und schloß die Augen. Es wurde kälter, während sie spürte, wie sich ihre Glieder streckten und sie wieder zur Frau wurde. Dann war die Verwandlung beendet. Sie öffnete die Augen, hob die Decke auf und wickelte sie um sich.
Der Zimtgeruch deutete auf einen zusätzlichen Wärmezauber hin, für den sie äußerst dankbar war. Sie betrat die Hütte, in der Jewel, in eine andere Decke gehüllt, quer durch den vorderen Raum ging und an eine Tür klopfte.
Die Hütte war karg eingerichtet. Ein Kamin schmückte die eine Wand, und mitten im Zimmer stand ein Tisch mit Essen. Mit den Hockern drum herum war das Zimmer fast voll. Ein ziemlicher Abstieg, verglichen mit Rugars Wohnung auf Nye. Dort hatte er ein Bankgebäude übernommen, kaum kleiner als das seines Vaters, und der Tresorraum hatte ihm als Schlafzimmer gedient.
Solanda nahm sich ein Stück Brot vom Tisch und biß herzhaft hinein. Es schmeckte ein bißchen alt, doch das machte ihr nichts aus. Seit dem Vortag hatte sie nichts mehr gegessen.
Rugar kam aus seinem Gemach, dicht gefolgt von Jewel. Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf, als versuchte er, noch rasch sein Haar in Form zu bringen. Er hatte sich ein Paar Kniehosen übergezogen, die Brust jedoch war nackt. Sein flacher Bauch und die Muskeln, die Brust und Seiten umspannten, ließen sie erstaunen. Sie hatte Rugar immer für ein wenig verweichlicht gehalten: für einen Mann, der vom Kämpfen redet, ohne jemals selbst daran teilzunehmen.
»Was ist so wichtig, daß du mich wecken mußt?«
»Ich habe nicht dich geweckt«, sagte Solanda und nahm noch eine Scheibe Brot, die sie in kleine Stücke brach, »sondern deine Tochter.«
Rugar warf Jewel einen scharfen Blick zu. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie nicht glauben, was Solanda soeben gesagt hatte; dann verschwand sie im Flur.
»Ich wollte dir berichten, was ich getan habe, bevor es die Domestiken tun«, sagte Solanda.
»Die Domestiken?« Rugar setzte sich. Er sah immer noch verschlafen aus. Mit der linken Hand nahm er einen Krug und goß sich und Solanda Wasser ein.
Sie nickte und trank einen Schluck. Es schmeckte gut. »Ich habe heute morgen einen Säugling bei
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