Fey 05: Der Schattenrpinz
inspirierte Kleidung, Hosen und Hemden, die zwar aus schwerer Seide gefertigt, aber immer noch leicht genug waren, um praktisch zu sein. Die Frauen hatten ohne Ausnahme ihre besten Kleider angelegt, manche davon mit so weiten Röcken, daß niemand neben ihnen stehen konnte, ohne den kostbaren Stoff zu zerknittern.
Der Geruch von gebratenem Fasan mischte sich mit Grilldüften. Stowe knurrte der Magen. Die letzten Gäste waren kurz vor Einbruch der Dunkelheit eingetroffen. Es sah dem König gar nicht ähnlich, seine Gäste warten zu lassen. Alle schoben die Verspätung auf die unnatürlichen Kinder des Regenten. Auch wenn die Edelleute heute erschienen waren, um Sebastians Anspruch auf den Thron zu feiern, stand ihm ein schwerer Kampf bevor, wenn er Anstalten machte, diesen Posten tatsächlich einzunehmen.
Dabei war der arme Junge nicht einmal in der Lage zu kämpfen.
Stowe unterdrückte ein Seufzen. Die meisten Edelleute standen vor der hinteren Wand des Saales und betrachteten die dort aufgehängten Schwerter. Es handelte sich keinesfalls um Zierwaffen. Sie entstammten verschiedenen Perioden der Inselgeschichte, und die meisten waren vom ausgiebigen Gebrauch schartig. Manche hatten fast so kurze Klingen wie Dolche und waren vor über vierhundert Jahren im Zweikampf benutzt worden. Andere waren tödlich lang und schmal. Die Modelle, die seit der Ankunft der Fey im Gebrauch waren, hatte man nicht aufgehängt. Offenbar wollte der König jenen Krieg, der ihm vom Volk seiner Gattin aufgezwungen worden war, nicht auch noch verherrlichen.
Lord Miller hatte sich durch die Menge zu Stowe durchgekämpft. An seinem Arm schritt seine zweite Frau. Sie war die jüngste Tochter von Lord Enford, ein dralles, hausbackenes Persönchen, das seinem Vater ähnlich sah. Natürlich schworen die Dienstboten Stein und Bein, daß es sich um eine Liebesheirat gehandelt habe. Stowe war davon weniger überzeugt.
»Ich dachte, hier findet ein Festessen statt«, bemerkte Miller. Er war groß und schlank, seine Finger lang wie die eines Künstlers. Er hatte nie danach gestrebt, die Ländereien seiner Familie zu verwalten, aber nachdem sein Vater im Krieg mit den Fey gefallen war, hatte er keine andere Wahl gehabt. Also hatte er beschlossen, sich selbst zum Kunstwerk zu gestalten. Er war einer der bestgekleideten Männer der Blauen Insel und gab fast so viel aus, wie er einnahm. Seine zweite Frau schien ihn etwas besser unter Kontrolle zu haben, aber noch immer nicht gut genug. Stowe fragte sich, ob Millers Ländereien überhaupt einen Gewinn abwarfen.
»Wir werden unser Festessen schon bekommen«, beschwichtigte Stowe mit erzwungener Gleichmut. Der König hatte sich schon den ganzen Tag ziemlich eigenartig benommen. Nach dem Fey im persönlichen Audienzzimmer des Königs, den Unruhen im Süden und der ganzen Spannung, die in der Luft lag, war Stowe sich nicht mehr sicher, ob das Bankett überhaupt noch stattfinden würde.
»Jedenfalls hinkt Seine Hoheit schon jetzt hinter dem Zeitplan her«, konstatierte Miller. »Muß er vielleicht doch noch einmal darüber nachdenken, ob er uns der Regierung seines schwachsinnigen Sohnes anvertrauen will?«
Millers Frau drückte erschrocken seinen Arm und flüsterte seinen Namen. Stowe richtete sich hoch auf. »Der Prinz wird ein guter König sein.«
»Für die alte Blaue Insel hätte er bestimmt einen guten König abgegeben, das garantiere ich Euch«, bestätigte Miller. »Abgesehen von einem kleinen Bauernaufstand alle paar hundert Jahre hatte ein König damals nichts zu befürchten. Aber heutzutage brauchen wir einen klugen Kopf auf dem Thron.«
»Ihr seid zu voreilig, Miller«, widersprach Stowe. »Der König ist immer noch ein junger Mann. Vielleicht lebt er lange genug, um die Regierungsgeschäfte direkt an seinen Enkel weiterzugeben.«
»Der König ist beinahe so alt, wie sein Vater war, als er starb.«
»Sein Vater starb keines natürlichen Todes. Er wurde ermordet.«
Miller neigte kurz den Kopf und richtete sich lächelnd wieder auf. »Nichts anderes wollte ich damit sagen, Stowe.«
»Die Fey werden den König oder seine Familie nicht anrühren. Deshalb hat der König Jewel ja geheiratet. Dadurch sind er und seine Kinder zu Fey ehrenhalber geworden.«
Miller schnaubte. »Diese Heirat hat bloß die Erbfolge durcheinandergebracht. Wir hatten noch nie einen Schwachsinnigen auf dem Thron.«
»Ihr müßt es ja wissen«, konterte Stowe.
Millers Frau hob die Augenbrauen. In ihren eisblauen
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