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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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war. »Vielleicht hätte ich ihn doch noch retten können.«
    »Vielleicht«, erwiderte Coulter. »Das werden wir wohl nie herausfinden. Jetzt ist die Sache jedenfalls erledigt.«
    »Sie ist ganz und gar nicht erledigt.« Gabes Zorn flammte von neuem auf, und er konnte ihn nicht unterdrücken. Er wollte ihn auch gar nicht unterdrücken. »Sie wird nie erledigt sein. Nicht zwischen uns.«
    Fledderer trat zwischen sie und packte Gabe beim Hemd. Für seine geringe Körpergröße war er erstaunlich stark. »Schluß. Schluß jetzt«, rief er.
    »Warum?« zischte Gabe. Er zitterte. Fledderer hatte schon einmal versucht, ihn zu töten. Vielleicht würde er es wieder versuchen. »Bloß, weil es dich stört?«
    »Wenn der Schwarze König besiegt ist, habt ihr genug Zeit, euch zu streiten. Eher nicht.« Die Rotkappe stieß Gabe vor die Brust. Gabe taumelte, fing sich aber wieder. »Jetzt machen wir drei uns endlich an den Aufstieg. Coulter bleibt hier. Verstanden?«
    Gabe riß sich los. Er haßte es, herumgeschubst zu werden, besonders von einer Rotkappe. »Ich weiß nicht, warum wir auf ihn hören sollten.«
    »Er besitzt mehr magische Kräfte als wir alle zusammen«, entgegnete Fledderer.
    »Außer vielleicht Gabe«, meinte Leen. Sie sah ihn hoffnungsvoll an. »Hattest du eine Vision über das hier?«
    Gabe starrte den schwarzen Fleck auf der Bergflanke an. Er schien zu pulsieren. »Ich glaube nicht.«
    »Du glaubst nicht?« wiederholte Fledderer. »Entweder hattest du eine oder nicht.«
    Gabe ballte die Fäuste. Langsam ging ihm diese kleine Rotkappe wirklich auf die Nerven. »Ich glaube es nicht«, betonte er. »Wissen kann ich es erst, wenn ich dort bin. Manchmal empfange ich nur Bruchstücke. Ich erkenne sie vielleicht wieder, wenn ich davorstehe.«
    Fast hätte er hinzugesetzt: Ich erwarte nicht, daß du das verstehst, aber er hielt sich zurück. Es hatte keinen Sinn, Fledderer noch mehr zu reizen.
    »Also«, begann dieser wieder, als hätte er Gabe gar nicht zugehört. »Wenn du keine Vision darüber hattest, befolgen wir Coulters Vorschlag.«
    Coulter beobachtete alles mit gesenkten blauen Augen, die Arme vor der Brust verschränkt. Äußerlich wirkte er ganz ruhig, aber Gabe hatte den Verdacht, daß er sich genauso fürchtete wie die anderen. Er gab es bloß nicht zu.
    Einen Augenblick hatte Gabe Mitleid mit Coulter, wie früher, als sie noch Freunde waren. Eine flüchtige Anteilnahme, eine leichte Besorgnis, dann schüttelte er sie ab. Coulter brauchte Gabes Mitgefühl nicht. Er konnte auf sich selbst aufpassen.
    »Ich will nicht ohne Adrian gehen«, wiederholte Gabe.
    »Was du willst, spielt keine Rolle«, fuhr ihn die Rotkappe an. »Du kommst mit. Adrian würde dem als erster zustimmen.«
    Gabe zog sich zwischen die Säulen zurück. Kurze Zeit war das kleine Lager für ihn wie ein Zuhause gewesen. Er würde seine Sachen packen. Er würde gehen. Aber es paßte ihm nicht.
    Immerhin war er dann Coulter für eine Weile los.
    Gabe seufzte, hockte sich auf den Boden und stützte den Kopf in die Hände. Noch vor wenigen Wochen hatte er ein richtiges Leben geführt. Er hatte gewußt, was jeden Tag passieren würde. Er hatte seine Freunde gehabt, seine Pflegefamilie und seine Ausweichmöglichkeit – Sebastian. Er hatte gewußt, wie er war und wer er war, jedenfalls innerhalb dieses Umfeldes.
    Jetzt aber wollte Fledderer ihn zu jemandem ausbilden, der dem Schwarzen König ebenbürtig war, als hätte eine magielose Rotkappe eine Vorstellung davon, wie man das anstellte. Jetzt wußte Gabe nicht mehr, wo er in der nächsten Nacht schlafen würde. Er hatte kein Zuhause, und zu sagen hatte er anscheinend auch nichts mehr.
    Gabe wollte dem Schwarzen König nicht ebenbürtig sein. Er hatte weder darum gebeten, Visionen zu haben, noch darum, Schwarzes Blut zu besitzen. Sein ruhiges Leben hatte ihm gut gefallen. Er wollte es zurückhaben.
    Aber sein altes Leben existierte nicht mehr.
    Das machte Gabe furchtbar traurig. Manche Leute übermannte angesichts eines Verlustes rasender Zorn. Ihn nicht. Auch er empfand Zorn, aber nicht die Art von Zorn, um so zu werden wie sein Urgroßvater. Gabe wollte niemand sein, der Unschuldige abschlachtete, weil ihre Eltern einen Fehler begangen hatten.
    Gabe wußte nicht, wie ihn Fledderer angesichts dieses grundlegenden Unterschiedes zwischen ihm und seinem Urgroßvater ausbilden wollte.
    Er war sich nicht einmal sicher, ob sie es versuchen sollten.
    Leen steckte ihren Kopf zwischen den Säulen

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