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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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wünschte, sie wäre noch am Leben, damit er ihr gratulieren konnte. Aber wenn sie noch am Leben wäre, hätte sein gesamter Angriffsplan anders aussehen müssen – falls er überhaupt angegriffen hätte.
    Er senkte seinen soliden Schattenlandschild vor dem dritten Schattenland, das er errichtet hatte, bis zum Boden. Dann ging er durch den Torkreis.
    Die Stöhnen hatte aufgehört. Die Handvoll Domestiken, die sich am Fuß des Berges befunden hatten, hatten die Verwundeten zusammengetragen und die Heiler ihres Amtes gewaltet. Das war gut. Es erleichterte Rugads Aufgabe.
    Er schnippte mit den Fingern. Selia kam zu ihm. Sie hatte sich in der Nähe des Flusses aufgehalten, als der Angriff erfolgte. Rugad hatte sie kurz vor dem Kampf ins Lager zurückgeschickt, um eventuell verbliebene Soldaten zu holen. Aber sie hatte es nicht mehr geschafft.
    Ihre Zöpfe waren zerzaust, und auf der linken Wange prangte ein langer Blutstreifen. Sie schien ihn nicht zu bemerken. Ihre dunklen Augen sahen leer und schmerzerfüllt aus. Also war jemand, der ihr viel bedeutete, verwundet worden. Er fand es seltsam, daß einer seiner Gefolgsleute ein Leben hatte, von dem er nichts wußte.
    Selbstverständlich ließ sie sich sonst nichts davon anmerken.
    »Wie viele können noch kämpfen?« fragte er.
    »Von denen hier drinnen?« Erst nachdem sie die Frage ausgesprochen hatte, bemerkte sie, wie dumm sie war. Natürlich meinte er die Soldaten hier drinnen. Woher hätte sie auch andere Zahlen haben sollen? »Vielleicht fünfzig.«
    »Dann bring mir die vielleicht fünfzig sofort her. Wir erstürmen den Berg.«
    »Herr?« sagte sie, und er hörte Widerspruch in ihrer Stimme mitschwingen.
    »Stellst du meine Befehle in Frage?«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Du hast gesagt, ich soll dir immer offen und ehrlich antworten.«
    Das stimmte. Damals hatte er es auch so gemeint. »Dann mach es kurz.«
    »Die Moral …«
    »Ist mir egal. Noch etwas?«
    »Die Waffen dort oben …«
    »Sind Konstrukte des Ortes der Macht. Hast du irgendwelche relevanten Einwände?«
    Sie lief rot an, öffnete den Mund, schloß ihn und öffnete ihn wieder. »Nein. Habe ich nicht, Herr.«
    »Gut«, sagte er. »Bring mir die vielleicht fünfzig. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Sag ihnen, sie sollen sich im Laufschritt bewegen.«
    Sie schluckte. Er konnte ihr den inneren Kampf auf dem Gesicht ablesen. Hätte er ein wenig mehr Zeit gehabt, hätte er ihn amüsiert beobachtet.
    Aber das war ihm nicht vergönnt.
    Sie schien es zu spüren. »Brauchst du …« Ihre Stimme stockte, verlor an Kraft. Dann holte sie tief Luft und riß sich zusammen. »Brauchst du auch jemanden mit Zauberkraft?«
    Also begriff sie die Problematik zumindest teilweise. Vielleicht mußte er verhandeln, Gespräche führen. Aber mit Nicholas würde er nicht verhandeln. Dazu war es schon lange zu spät.
    »Zauber haben keine Wirkung auf Visionäre«, sagte er.
    »Ich meinte nicht für deine Urenkel.«
    Er lächelte schief. »Sie sind die einzigen, mit denen ich mich unterhalten werde«, sagte er dann.
    Sie nickte kurz, machte kehrt und marschierte davon. Er sah, wie sie sie hier und dort einem Infanteristen die Hand auf die Schulter legte und mit ihnen redete. Vielleicht brauchte er sie noch, in den beiden anderen Schattenländern weiter oben am Hang. Die überlebenden Fey dort hatten Zeit gehabt, über das zu brüten, was sie für eine Katastrophe halten mußten. Sie hatten Zeit gehabt, ihre Angst zu spüren. Vielleicht gelang es ihr, seine verbliebenen Truppen zu beruhigen, damit sie wieder mit ihm gingen, als entschlossene Fey-Streitmacht gegen eine Handvoll Verteidiger, die sich in Nicholas’ Höhle verschanzt hatten.
    Er legte die Hand auf sein Schwert und tastete nach seinem Messer. Beides befand sich an Ort und Stelle. Auch seinen Schattenlandschild würde er mitnehmen. Falls Nicholas noch einmal wagte, das Licht einzusetzen, konnte Rugad es mühelos umlenken. Womöglich konnte er nicht alle am Kampf beteiligten Soldaten schützen, aber das spielte keine Rolle. Das einzige, was zählte, war, daß sie endlich in diese Höhle gelangten. Sobald er dort war, sobald er in Reichweite des Ortes der Macht war, würde er ihm auch gehören.
    Und sobald er ihm gehörte, war auch die Blaue Insel sein.
    Und seine Urenkel.
    »Beeil dich, Selia!« rief er und sah sie am anderen Ende des Schattenlandes eifrig nicken. Sie sprach gerade mit einem Fußsoldaten, der sich erhob und sogleich eine Gruppe

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