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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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gemacht hatte, hätte die Worte beinahe überhört. »Boteen?« wiederholte er. »Wie?«
    »Von einer Rotkappe ermordet.«
    Das hatte Rugad bestimmt nicht erwartet, daß einer der eigenen Leute, noch dazu einer ohne Zauberkraft, einen Zaubermeister ermordete.
    »Wer?«
    »Einer der Verräter, der mit einem Inselbewohner unterwegs war. Sie überraschten Boteen und einen Pferdereiter und metzelten sie nieder.«
    »Wie denn?« fragte Rugad. Er fühlte sich so eigenartig ruhig, als habe ein Teil von ihm diese Nachricht erwartet.
    Die Fey verloren nur sehr selten einen Zaubermeister, und dann eher an den Wahnsinn als an den Tod.
    »Mit Schwertern und Messern«, antwortete der Irrlichtfänger. »Wir haben es von einem Schreiber gehört, der das Geschehen vortrug.«
    Sicher in allen Einzelheiten, dachte Rugad. Andererseits gab es keinen besseren Zeugen als einen Schreiber, denn Schreiber logen nie. Das konnten sie gar nicht.
    »Wurde Boteen von der Welle heute morgen getroffen?«
    »Ich weiß es nicht, Herr«, antwortete der Irrlichtfänger. »Ich nehme es an, denn sie traf auch uns andere.«
    Dann nickte Rugad. Das erklärte alles. Boteen hatte sich nicht verteidigen können, weil ihn seine Zauberkraft verlassen hatten. Die Rotkappe hatte ihn im richtigen Moment erwischt.
    Rugad runzelte die Stirn. Er hatte seinen Zaubermeister verloren, und gerade auf Boteen hatte er sich verlassen. Er hatte besonders auf Boteens Hilfe gehofft, um die Kräfte der Inselbewohner unter Kontrolle zu bringen.
    Vielleicht hatte Boteen ebenfalls daran gedacht. Vielleicht war das auch sein Plan gewesen. Der vorherige Irrlichtfänger, Ay’Les Irrlichtfänger, hatte gesagt, Boteen sei in Richtung Berge aufgebrochen. Er hatte den Ort der Macht gesehen, obwohl er ihn Rugad gegenüber nicht so genannt hatte, und er war dorthin aufgebrochen.
    »Wo hat diese Rotkappe ihn überrascht?« fragte Rugad.
    »Das weiß ich nicht genau«, antwortete der Irrlichtfänger. »Der Schreiber hat gesagt, er habe sich hinter einem Felsvorsprung versteckt, wie es ihm von Boteen befohlen worden war. Boteen und der Pferdereiter seien dann davongeritten, um irgend etwas zu erkunden. Bei ihrer Rückkehr griff die Rotkappe sie an.«
    »Dann ist die Rotkappe ihnen also von dem Ort, den sie erkundet hatten, gefolgt?«
    »So scheint es«, antwortete der Irrlichtfänger.
    Rugad hielt es nicht länger auf seinem Stuhl. Also ließ ihn die Nachricht doch nicht so kalt, wie er am Anfang geglaubt hatte. Er stand auf, dann fing er an, nachdenklich im Raum auf und ab zu gehen, wobei er seine Hände an den Wänden entlangstreifen ließ. Spuren von den Schwertern und Schilden, mit denen der Raum während König Nicholas’ Herrschaft geschmückt gewesen war, waren noch immer deutlich auf den Wänden zu erkennen. Überall im Palast gab es Wandteppiche und andere Hinweise auf die Symbole der Inselkultur. Aber keines davon verwies auf den Ort der Macht.
    »Herr?« sagte der Irrlichtfänger fragend. »Möchtest du den Rest hören?«
    Rugad hob abwehrend die Hand. Boteen tot und eine Rotkappe am Ort der Macht.
    Er schauderte.
    Rotkappen wußten nichts über solche Orte. Nur sehr wenige der Fey, die fern der Eccrasischen Berge aufgewachsen waren, wußten überhaupt etwas darüber. Und diejenigen, die davon wußten, behielten es für sich.
    Wenn Rugads Informationen zuverlässig waren, mußte Nicholas eine Rotkappe bei sich haben.
    Wieviel wußte Nicholas überhaupt?
    Vielmehr lautete die Frage: Was hatte er bis jetzt alles schon herausgefunden? Und was konnte er noch alles herausfinden?
    Der Schlüssel dazu war der Ort der Macht, und jetzt hatte Rugad niemanden mehr, der ihn einnehmen konnte.
    Er konnte Landre schicken, aber Hüter hatten trotz aller Theorie wenig mit der Praxis zu tun. Auf gar keinen Fall wollte er Infanterie entsenden oder gar jemanden, der nur über geringe Zauberkraft verfügte.
    Rugad war nun weit von den Stühlen weg. Er blieb vor dem Podium stehen, auf dem einst König Nicholas’ Thron gestanden hatte, und starrte auf die leere Stelle.
    Es war zum Teil sein eigener Fehler gewesen.
    Er war zweiundneunzig Jahre alt und hatte fast sein ganzes Leben lang gekämpft. Vor zwanzig Jahren hatte er zu Rugar gesagt, daß er nur einmal, ein einziges Mal, einen ebenbürtigen Gegner haben wollte. Es schien, als habe er ihn nun endlich gefunden.
    Rugad drehte sich um.
    Der Irrlichtfänger beobachtete ihn eingehend. Selia war gerade mit einem großen Becher Wasser für den Boten

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