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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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fragte Nicholas. »Er würde alle Möglichkeiten ausnutzen.«
    »Ja«, sagte sie einfach.
    »Und die Fey erwarten das.«
    »Ja.«
    Er holte tief Luft und strich sich müde eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sein Körper war erschöpft, und er war es leid zu kämpfen. »Wir gewinnen diesen Krieg nicht, wenn wir tun, was die Fey von uns erwarten. Sie haben jahrhundertelang Erfahrungen auf dem Gebiet des Kampfes und der Zauberkraft gesammelt. Gegen diese Erfahrung können wir nicht ankämpfen, außer mit dem Moment der Überraschung.«
    »Du hast aber keine Überraschungen mehr übrig«, sagte sie.
    »Ich glaube schon«, erwiderte er. »Ich habe es immerhin geschafft, dich zu überraschen.«
    »Weil du dich so töricht verhältst.«
    »Nein. Weil ich eine Entscheidung treffe, die die Dinge zunächst kompliziert. Aber auf lange Sicht ist es doch die beste Lösung.«
    »Es könnte aber möglicherweise keine lange Sicht geben.«
    »Das stimmt«, räumte er ein. »Aber ich zähle trotzdem darauf.«
    »Ich hoffe, du weißt, was du tust«, sagte sie zweifelnd.
    Er lächelte. Er fühlte sich viel ruhiger als zuvor. Der Streit ließ ihn vieles klarer sehen, hatte ihm seine Gefühle für ihn selbst verdeutlicht. Er wußte jetzt, was er wollte, und auch, wie er sein Ziel erreichte. »Ja, das weiß ich.«
    »Hoffentlich«, entgegnete Jewel. »Ich glaube, du kehrst deiner einzigen Aussicht auf Erfolg den Rücken zu.«
    Sie verschwand, und er sah zu, wie sie ging. Er mochte diesen neuen Aspekt in ihrer Beziehung nicht. Sie konnte einfach verschwinden, wenn er sie verärgert hatte. Und sie konnte ihm ihren Beistand jederzeit versagen.
    Aber wenn es sein mußte, konnte er das hier auch ohne sie durchstehen.
    Er seufzte und streckte die Hand aus. Adrian half ihm auf.
    »Worum ging es?« fragte Adrian.
    Nicholas sah ihn an. Er stellte sich vor, wie Adrian versuchte, einer neuen Kraft Herr zu werden und gleichzeitig die Fey zu bekämpfen. Das konnte nicht funktionieren, egal, was Jewel behauptete, und egal, wie sehr er selbst es sich auch wünschte. Es konnte nicht funktionieren.
    Gabe beobachtete ihn immer noch. Er wartete auf Nicholas’ Reaktion, so als hinge seine eigene Entscheidung davon ab.
    »Es ging um Taktik«, sagte Nicholas. »Nur um Taktik, sonst nichts.«
    »Habt ihr einen Weg gefunden, um den Schwarzen König zu schlagen?« fragte Arianna.
    »Ja«, antwortete Nicholas.
    »Indem wir diese Quelle benutzen?« fragte sie weiter.
    Gabe biß sich auf die Unterlippe.
    »Nein«, sagte Nicholas.
    »Ist es Weihwasser?« fragte sie leise.
    Nicholas seufzte erneut. »Es ist gefährlich«, sagte er. »Viel zu gefährlich für uns.«
    »Habt ihr darüber gestritten, Mutter und du?«
    Nicholas schüttelte den Kopf. »Wir haben uns über die Taktik gestritten.«
    »Wie wollt ihr den Schwarzen König jetzt schlagen?« fragte Arianna.
    »Indem wir einfach Inselbewohner sind«, antwortete Nicholas. Er stand aufrecht, ein wenig wackelig zwar, aber er stand.
    »Wir sind aber nicht alle Inselbewohner«, erinnerte ihn Leen.
    »Ich weiß«, sagte Nicholas. »Aber ich glaube auch nicht, daß wir für diese Aufgabe alle ausnahmslos Inselbewohner sein müssen.«
    »Für welche Aufgabe?« fragte Arianna.
    »Unser letztes Gefecht«, sagte Nicholas. »Und unsere einzige Hoffnung.«

 
     
     
GEGENANGRIFF
     
(Zwei Tage später)

 
14
     
     
    Die zur Verstärkung entsandten Truppen schlängelten sich in das Tal hinunter. Von Westen her war der Paß so eng, daß nur jeweils vier Fey nebeneinander gehen konnten, und obwohl natürlich Hunderte von ihnen flogen, dauerte es fast die ganze Nacht, um die gesamte Truppe durch die enge Schlucht zu schleusen.
    Licia schlang einen mit Domestikenzauber durchwirkten Mantel um die Schultern, aber selbst damit war es unangenehm kalt. Die Nächte in dieser Region waren eisig und oben in den Bergen wahrscheinlich noch kälter. Die vergangene Nacht war die bislang schlimmste gewesen. Kaum war der Mond aufgegangen, hatte es heftig zu regnen angefangen, große dicke Tropfen, die die Kälte des Schnees in sich tragen. Licia hatte angeordnet, die Verwundeten unter Schutzdächer zu verlegen, denn zur Errichtung eines großen Schattenlandes fehlte es ihr sowohl an Kraft als auch an Magie; alle übrigen mußten so gut es ging selbst für sich sorgen. Sie hatte versucht, ihre Moral zu heben, doch der Regen war keine große Hilfe.
    Schließlich kam die Morgendämmerung. Sie sah zu, wie sich der Horizont im Osten aufhellte.

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