Fey 10: Das Seelenglas
getötet.«
»Sie hat ihre Befugnisse übertreten.«
»Du hättest sie degradieren können.«
»Sie hat versagt«, erwiderte Licia. »Bei ihren diplomatischen Bemühungen und bei ihrem Versuch, das Kommando zu übernehmen, hat sie versagt.«
»Ich bin derjenige, der über den Tod von Versagern entscheidet«, sagte er.
»Es sei denn, sie sabotieren einen Feldzug, der bereits im Gange ist«, meinte Licia. »Sie wiegelte die Tierreiter gegen mich auf.«
»Wenn sie sich aufwiegeln ließen, hast du etwas falsch gemacht.«
Sie richtete sich gerade auf. Ihre Haltung war jetzt nicht mehr ehrerbietig. Er wollte, daß sie ihm Paroli gab. Er verlangte eine Reaktion von ihr.
Er sollte sie bekommen.
»Ich habe nichts falsch gemacht. Alle meine zauberkundigen Fey waren von einer eigenartigen Welle der Macht, die hier durchfegte, in Mitleidenschaft gezogen. Sie waren nicht in der Lage zu kämpfen. Meiner Meinung nach war die Infanterie geeigneter für diese Aufgabe.«
»Erwies sich deine Meinung als richtig?«
Sie zuckte die Achseln. »Wir waren nicht auf einen magischen Gegenangriff vorbereitet. Vielleicht wären die Tierreiter der Sache eher gewachsen gewesen. Das kann ich jetzt nicht beurteilen. Niemand kann das jetzt noch beurteilen.«
»Wir müssen es beurteilen, denn wir wollen noch einmal angreifen.«
»Ich habe … hatte für dieses Mal einen anderen Angriff geplant. Kontrolliert von den Fey, weniger formell und mit allen zur Verfügung stehenden magischen Kräften. Kein Inselbewohner, nicht einmal ein mit Zauberkräften ausgestatteter, kann dem widerstehen.«
»Man sollte sie niemals unterschätzen«, erwiderte der Schwarze König.
Sie holte tief Luft. »Es war mein Fehler. Ich bin bereit, dafür bestraft zu werden, falls du das für angebracht hältst.«
Ihr Herz schlug heftig, aber sie ließ sich nichts anmerken. Sie hielt ihren Körper so steif und gerade wie er. Sie fragte sich, ob er ihren beschleunigten Herzschlag an einer pulsierenden Ader an ihrem Hals feststellen konnte oder an der Tatsache, daß die Anspannung sie trotz der Kälte ein wenig schwitzen ließ.
Sie zweifelte daran, daß er jemand war, der solche Dinge übersah.
»Du bist sehr mutig«, sagte er, ohne den Blick von ihr zu nehmen. »Ich habe mir deinen Lebenslauf angesehen. Das hier ist dein erster aktenkundiger Reinfall.«
»Es ist kein Reinfall, Herr«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Die Schlacht ist noch nicht vorbei.«
»Wohl wahr.« Er nickte ihr zu. »Und genau diese Einstellung gefällt mir an dir. Nach dem, was ich von dieser Schlacht weiß, hast du recht daran getan, die Truppen zu sammeln und neu zu gruppieren. Dein Fehler bestand allein darin, es einen Rückzug zu nennen. Dieser Abschnitt der Insel ist wichtig, wichtiger, als mir anfänglich bewußt gewesen ist. Hier liegen Schätze, die Boteen vor seinem Tod entdeckt hat. Wir werden sie bergen.«
»Jawohl, Herr«, erwiderte sie. Ein Zittern hatte sich ihrer Hände bemächtigt. Sie verschränkte die Finger, um es zu verbergen.
»Du tatest recht daran, um Verstärkung zu bitten.«
»Ich hatte nicht erwartet, daß du persönlich kommst.«
Er lächelte wieder, diesmal etwas weicher, fast zärtlich. »Du hast nach mir gerufen.«
»Nein, Herr, ich …«
»Du hast nach dem Anführer gerufen, der für die Vernichtung des Tabernakels verantwortlich war.«
»Ich dachte an Onha, vielleicht noch an Kendrad …«
»Es war mein Plan, und er hat funktioniert.«
»Allerdings. Er hat funktioniert.«
»Und diese Schlacht hier ist sogar noch wichtiger.« Er kam auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sein Griff war fest, beinahe schmerzhaft. »Du zeigst mir den Hügelkamm und arbeitest deinen neuen Plan aus, und dann werden wir sehen, was wir damit anfangen.«
»Herr, ich glaube, Kendrad kann dir dabei besser dienen.«
»Kendrad ist erst mit mir angekommen. Sie hat nicht wie du mehrere Tage hier verbracht. Sie hat nicht gegen diese Inselbewohner gekämpft. Du wirst mir helfen.« Er blickte auf sie herab. Sie war nicht daran gewöhnt, kleiner als andere Fey zu sein. »Behagt dir irgend etwas daran nicht?«
Ihr Zittern hatte sich zum Glück gelegt. »Nein«, antwortete sie. »Keinesfalls.«
»Gut.« Er ließ sie wieder los. Sie mußte den rechten Fuß ein wenig ausstellen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Ich habe hier noch eine Aufgabe zu erledigen, dann gehe ich mit dir zur Hügelkette.«
Er drehte sich um. Sie war nicht
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