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Fey 10: Das Seelenglas

Fey 10: Das Seelenglas

Titel: Fey 10: Das Seelenglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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meisten anderen gibt es nicht mehr.«
    »Gibt es nicht mehr?«
    »Tot.« Er dachte nicht gerne daran: an den Verlust des Tabernakels, den Verlust allen Wissens und aller Traditionen. Auch wenn die Worte des Roca besagten, daß all diese Traditionen mißbraucht worden waren.
    Der Mann gab ein leises Geräusch von sich, eine Mischung aus Lachen und Seufzen. »Sie versuchen, mir von diesem neuen Ort zu erzählen …«
    »Sie?«
    Er machte eine undeutliche Geste zur Decke hin, als sei für Matthias damit alles erklärt. »Sie. Aber es ist so gut wie unmöglich. Versuche dir vorzustellen, wie sich fünfzig Generationen auswirken. Fünfzig! Das braucht Jahre. Dann schickten sie mich zu dir.«
    »Zu mir?«
    »Sollen wir lieber zu deiner degenerierten Sprache zurückkehren? Zu dir. Sie schickten mich zu dir.«
    »Weshalb?«
    »Sie sagten, du brauchtest einen Berater.« Er lachte. »Als könnte ich jemanden beraten. Ich weiß doch selbst kaum etwas.«
    Matthias fror, obwohl sich die Temperatur in der Höhle nicht verändert hatte. »Wer sagte das?«
    »Sie.« Wieder fuchtelte er mit der Hand in Richtung Decke. »Besonders die Neue. Die, die nicht richtig dazu paßt. Die Frau. Na, sie alle eben. Ich hätte nie gedacht, daß es so viele von denen gibt.«
    Matthias zitterte. »So viele wovon?«
    Die Augen des Mannes verengten sich. »Du stellst zu viele Fragen. Dabei sollte ich dich ausfragen. Du behauptest, dein Name sei Matthias, aber du bist nicht der Matthias, den ich kenne.«
    Matthias rührte sich nicht. Er hatte nie jemanden gekannt, der seinen Namen trug, und nun hörte er es in wenigen Tagen zum zweiten Mal. »Wen kennst du denn noch, der Matthias heißt?«
    Der Mann stieß einen Seufzer aus. »Das spielt keine Rolle mehr. Er ist schon fast so lange tot wie ich.«
    Fünfzig Generationen. Jener Matthias mußte der Sohn des Roca gewesen sein. Derjenige, der den Verstand verloren hatte.
    »Und wer bist du?« fragte Matthias. Seine Stimme fühlte sich an, als bliebe sie ihm im Halse stecken. Er wußte nicht genau, ob er die Antwort wirklich hören wollte.
    »Jedenfalls nicht der, der ich früher mal war«, sagte der Mann und ging in den Korridor hinein, blieb jedoch nach einigen Schritten stehen und drehte sich zu Matthias um. »Kommst du jetzt oder nicht?«
    »Ich möchte wissen, wer du bist.«
    »Und ich möchte wieder jung sein, in einer Welt, die ich verstehe.« Wieder stemmte der Mann die Hände in die Hüften. »Also?«
    Matthias seufzte leise und setzte sich in Bewegung. Er fühlte, daß ihm keine andere Wahl blieb. Er hatte diese Sphäre aus einem bestimmten Grund betreten. Am Eingang zur Höhle des Roca war er um ein Haar durch Jewels Hand gestorben, der Frau, die er vor nun fast fünfzehn Jahren getötet hatte. Am Fuß der Treppe hätte er beinahe sehr viel Zeit verloren, nur weil er in den falschen Gang geblickt hatte. Dieser Mann hier, der Mann aus dem Nebel, hätte ihn nicht erstaunen dürfen.
    Wenn Matthias wirklich klug war, mußte er auf alles gefaßt sein.
    Was auch immer es sein mochte.
    Letztendlich befand er sich an dem Ort, an dem der Roca seinen Worten nach seine Macht erworben hatte, und diese Macht war, wie er behauptet hatte, ständig hier, als wohnte sie dem Fels inne. Matthias hätte wissen müssen, daß die Reise durch diese Korridore kein Spaziergang werden würde.
    Er hätte wissen müssen, daß er nicht einfach durch den Hintereingang in die Höhle des Roca hineinspazieren und die Juwelen an sich reißen konnte.
    Der Fünfzigste Rocaan hatte stets gesagt, Gott stellte die Seinen auf vielerlei Arten auf die Probe, daß er ihnen aber auch niemals zuviel auferlegte.
    Matthias hoffte, daß er damit recht behielt.
    Er rückte sein Bündel zurecht und folgte seinem neuen, namenlosen Begleiter tiefer in den Berg hinein.

 
19
     
     
    Es war eigenartig, so durch die Straßen von Jahn zu spazieren. Die Anwesenheit der Fey war immer noch spürbar, wenn auch nicht mehr bedrohlich. Luke und Con kamen sich vor, als spazierten sie durch die ausgebrannten Fassaden einer ehemals prunkvollen Siedlung.
    Am meisten wurde sich Luke dessen auf der Brücke von Jahn bewußt. Als sie den Cardidas überquerten, glitzerte das morgendliche Sonnenlicht wie Diamanten auf dem Wasser. Er hatte diesen Anblick zum ersten Mal als kleiner Junge bewundert, als ihn sein Vater nach einer besonders guten Ernte mit in die Stadt genommen hatte. Später hatte er ihn noch einmal bewundert, nachdem König Nicholas ihn nach seinem

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