Fia die Betoerende
sich in der Öffentlichkeit in den gewagtesten Kleidern zu zeigen pflegte, ohne dass sich ihre Körpertemperatur auch nur im Geringsten änderte, errötete über Mehl in ihrem Gesicht. Oder war ihr Erröten auf seine leichte Berührung und sein neckendes Lächeln zurückzuführen?
Ihr fiel einfach keine passende Erwiderung ein. Sie wollte nicht, dass er aufhörte, sie zu necken, und sie hatte nicht die Zeit gehabt, genau zu überlegen, warum das so war. Sie tat nie etwas, ohne es nicht vorher gründlich aus allen Blickwinkeln betrachtet und mögliche Folgen sorgfältig erwogen zu haben. Und doch wollte sie gleichzeitig nicht, dass er sie weiter neckte, weil das weitergehende Folgen haben konnte, aus denen sich dann wieder neue ungeahnte Konsequenzen ergeben konnten.
Es wäre am besten, sie ginge. Sie würde sich auf ihr Zimmer begeben und sich ihr weiteres Vorgehen in Ruhe überlegen, darüber nachdenken, was sie wollte und wie sie es erreichen könnte. Aber ihre Gegenwart hier und eigentlich auch ihr ganzer Körper fühlten sich irgendwie unwirklich an, so als ob sie irgendetwas eingebüßt hätte. Schließlich, so rief sie sich ins Gedächtnis und musterte ihn beunruhigt, hatte sie sich vorgenommen, ihn zu verführen.
Aber das war gewesen, bevor sie entdeckt hatte, wer er war, und dass er einen mehr als guten Grund für seine Feindseligkeit hatte, sich jedoch nicht an der Tochter seines Feindes rächte oder sich zu rächen vorhatte. In der Tat würde sie sogar ihr Leben darauf verwetten, dass ihm so ein Vorgehen nie in den Sinn gekommen war. Also, bei Gott, was hatte sie hier zu suchen?
Er schenkte ihr noch nicht einmal Beachtung, sondern widmete sich angelegentlich der Aufgabe, sich eine dicke Scheibe von dem kalten Braten abzuschneiden. Wie konnte man einen Mann verführen, der gerade herzhaft aß?
Sie erhob sich.
„Bitte, setzen Sie sich doch. Ich würde es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie mir ein wenig Gesellschaft leisten“, sagte er ohne seinen Blick von dem, was ganz offensichtlich schwierig zu bewerkstelligen war, zu heben.
Sie setzte sich. Welche Wahl habe ich schließlich? fragte sie sich und versuchte verzweifelt sich gekränkt zu fühlen. Sie war eine Gefangene in seinem Haus, ohne den Trost der Gegenwart anderer Menschen und den kleinen Annehmlichkeiten des Lebens. Sie war gewöhnt an Gesellschaften, strahlend erleuchtete Ballsäle und . . .
Es gelang ihr nicht. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht dazu bringen, das zu glauben. Von Kindesbeinen an war sie das Alleinsein gewöhnt, an das geruhsame Leben auf dem Land. Seine Gesellschaft war es, die ihr fehlte. Thomas hatte ihr gefehlt.
Aber sie waren immer noch Feinde, durch ihr Blut dazu bestimmt. Er billigte sie und ihr Verhalten nicht. Er glaubte das Schlimmste von ihr. Er hatte sie hierher gebracht, weil ihre bloße Anwesenheit die Umgebung um sie herum verpestete, so dass reinere Menschen vor ihr bewahrt werden mussten.
Doch er hatte ihr auch den Kopf gehalten und ihr den Rücken gerieben, während sie krank war. Er hatte sie in seine Jacke gehüllt, als ihr kalt gewesen war, und hatte sie mit seinem Körper vor dem scharfen Wind geschützt. Er war wütend geworden über ihre Kindheit. Und er neckte sie.
Sie gab auf, streckte die Waffen und setzte sich wieder.
Thomas hatte versucht sich von ihr fern zu halten. Er hatte es fünf Tage lang geschafft, jeden Augenblick gefoltert von der Erinnerung an sie, so wie er sie beim letzten Mal gesehen hatte, als sie nur mit ihrer Leibwäsche bekleidet dagestanden hatte und sich der Wirkung, die dieser Anblick auf ihn ausübte, so überhaupt nicht gewahr gewesen war. Er war mit dem festen Entschluss zurückgekehrt, sie nicht wissen zu lassen, wie sehr er sich danach gesehnt hatte, sie wiederzusehen.
Aber diese seltsame innere Verbundenheit zwischen ihnen war auf eine eigene Art und Weise ebenso verführerisch und verlockend wie zarte, geschmeidige Haut und weiches, duftendes Haar. Auch wenn das allein schon verführerisch genug war.
Ein leichtes Rosa stieg Fia in ihre vollkommen geformten Wangen. An ihren Hals schmiegte sich eine weiche Strähne schwarzen Haares, die unter dem einfachen Spitzentuch verschwand, das in ihren Ausschnitt gesteckt war und ihren Busen bedeckte. So ein zweckdienliches, bescheidenes Kleid. Doch an ihr wirkte es atemberaubend raffiniert.
Er zermarterte sich den Kopf auf der Suche nach einer passenden Bemerkung. „Ich hoffe, der Aufenthalt hier auf dem
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