FIDER (German Edition)
unsere Kameraden umgebracht«, stammelt Vinnie dabei. »Die haben unsere Kameraden umgebracht. Gleich werden die kommen und uns umbringen. Und ihr steht hier herum und haltet einen Kaffeeklatsch.«
»Aber nicht doch, Schütze van den Pas«, sagt Betzendorff gut gelaunt. »Wenn mich mein Instinkt nicht trügt, dann wird uns heute Nach t niemand mehr belästigen.«
»Und wenn schon«, sagt Petursson. »Meinetwegen können die gerne kommen. Sollen sie doch direkt in unsere Stellungen springen. Dann wissen wir wenigstens, mit wem wir es zu tun haben.«
Betzendorff zuckt mit den Schultern. »Vielleicht können wir sie mit einem munteren Liedchen animieren, etwas näher zu kommen. Wollen wir? Drei, vier …«
Bevor einer der Männer etwas entgegnen kann, stimmt Betzendorff das Lied »Ungarland« an, mit dem die Truppe im Laufe der Grundausbildung ihre Ausbil der zur Weißglut getrieben hat.
»Es zog ein Regiment vom Ungarland herauf.
Es zog ein Regiment vom Ungarland herauf.
Ein Regiment zu Fuß
und ein Regiment zu Pferd,
ein Bataillon Deutschmeister!«
Aus dem Inneren Bereich donnert Oberleutnant Codyczeks Stimme: »Ruhe, verdammt nochmal! Sind Sie jetzt völlig verrückt geworden?«
Irgendjemand lacht. Es klingt nicht nach dem Kichern der Angreifer von vorletzter Nacht, sondern nach einem echten, nervösen Lachen eines Soldaten, der nicht weiß, ob er laut lossch reien oder still in seine Hose pinkeln soll. Betzendorff beginnt unterdessen, die zweite Strophe zu gröhlen. Gut ein Drittel aller Töne verfehlt er komplett, doch immerhin tritt er textsicher auf.
»Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein.
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein.
Frau Wirtin schenkt ihn'n
den kühlen Wein
durch ihr feins Töchterlein.«
Diesmal interveniert niemand. Im Gegenteil: Eine zweite Stimme ertönt, irgendwo auf der abgewandten Seite des KVP, und stimmt in die beiden letzten Zeilen ein. Es klingt verdächtig nach Sarac.
Die nächste Strophe wird dann bereits aus mindestens fünf Kehlen gejohlt. Die Männer besingen das Schicksal des armen Töchterleins, das durch einen bösen Unteroffizier missbraucht wird. Am Ende der Strophe blökt beina he die gesamte Truppe mit. Als es schließlich an die letzte Strophe geht, zuckt auch Petursson mit den Schultern und stimmt ebenfalls ein. Vinnie schaut zwar aus der Wäsche, als erleide er gerade einen Hirnschlag, doch auch er beginnt zu singen. Gemeinsam bringen sie das Lied zu Ende und führen den bösen Unteroffizier seiner gerechten Strafe zu:
»Der Hauptmann war ein gestrenger Mann,
der Hauptmann war ein gestrenger Mann.
Er ließ die Trommel rühr'n
und den Säbel ließ er zieh'n.
Den Fähnrich ließ er henken!«
Irgendein Spaßvogel ersetzt »henken« gegen ein deutlich vernehmbares »Köpfen«, doch das interessiert in diesem Augenblick niemand. Als der letzte Ton des Liedes verklingt, ertönt noch einmal Betzendorffs Stimme.
»Lied aus! Gute Nacht, meine Damen.«
Danach herrscht für den Rest der Nacht Ruhe.
Szene 58: Stoßtrupp
Originalmaterial. Wackelige Handkamera, geführt von Leutnant Gromek. Farbfilm.
Regen.
Die Männer haben sich in ihren Stellungen eingeigelt und spähen in den Wald. Leutnant Gromek fegt im Laufschritt durch den Rundgraben und kommandiert nach und nach alle Soldaten in den Inneren Bereich. Einwände, wer nun den KVP sichere, lässt Gromek unbeantwortet.
Die Perspektive wechselt zu verschiedenen versteckten Kameras.
Im Inneren Bereich lässt Oberleutnant Codyczek zumindest eine provisorische Rundumsicherung legen. Er lässt die Männer abhocken und tut sehr geheimnisvoll. Allerdings hält er auch seinen Ärger nicht zurück.
»Meine Herren, ich weiß nicht, was Sie letzte Nacht geritten hat. Das war Se lbstmord. Ich hoffe, das ist Ihnen klar. Wären wir nicht in der Lage, in der wir gerade sind, dann hätte ein solches Verhalten ernsthafte Konsequenzen. Betzendorff, grinsen Sie nicht so blöd. Sie wären der erste, der die Truppe verlassen dürfte. Ich wünschte, ich könnte Sie rausschmeißen. Aber wir brauchen jeden Mann. Ganz besonders jetzt brauchen wir jeden Mann.«
Codyczek macht eine Pause und schaut von einem Soldaten zum nächsten, bevor er seine Hiobsbotschaft auf den Weg bringt.
»Wir haben den zweiten Zug verloren. Der Funkkontakt ist während dieser Lichterscheinungen heute Nacht abgebrochen. Bei Morgendämmerung hätten sich die Männer zurückmelden sollen. Bislang haben wir
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