Fieber
der linken Hand zu sich hinauf und ins Haus.
Ausgepumpt ließ Cathryn sich zu Boden fallen. Ihre Brust ging heftig auf und nieder. Sie hörte, daß Michelle nach ihr rief, aber sie konnte sich nicht bewegen. Charles lief aufgeregt von Fenster zu Fenster. Nach einer Minute war Cathryn wieder so weit zu Kräften gekommen, daß sie aufstehen konnte. Sie ging sofort zu Michelle.
»Ich habe dich vermißt, Mommy«, sagte Michelle und schlang ihre Arme um Cathryns Hals.
Cathryn wußte, daß sie das Richtige getan hatte.
Charles kehrte ins Wohnzimmer zurück und sah noch einmal prüfend die Auffahrt hinunter. Zufrieden legte er sein Gewehr aus der Hand. Dann kam er zu Cathryn und Michelle und schloß sie beide in seine Arme. »Endlich habe ich wieder meine beiden Frauen bei mir«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Cathryn begann sofort zu erklären, was geschehen war, und wiederholte dabei immer wieder, daß sie nichts mit der Ankunft der Polizei zu tun hatte.
»Das habe ich auch nicht eine Sekunde lang gedacht«, sagte Charles. »Ich bin froh, daß du wieder hier bist. Es ist nämlich äußerst schwierig, die Augen gleichzeitig nach zwei Richtungen hin offenzuhalten.«
»Jetzt habe ich auch mein letztes Vertrauen in unsere Polizei verloren«, erwiderte Cathryn. »Ich glaube, Neilson ist ein Psychopath.«
»Da kann ich dir nur recht geben«, sagte Charles.
»Ich frage mich, ob es nicht besser für uns wäre, wenn wir uns gleich ergeben würden. Neilson und seine sogenannten Freiwilligen haben mir angst gemacht.«
Charles schüttelte den Kopf und sagte leise: »Nein.«
»… aber glaub mir doch … Ich bin sicher, sie warten nur darauf, Gewalt anwenden zu können.«
»Das tun sie ganz sicher«, sagte Charles nachdenklich.
»Wenn du dich jetzt stellst und dem Weinburger-Institut dieGeräte zurückgibst und Dr. Keitzman erklärst, wie du Michelle behandeln willst, vielleicht kannst du deinen Versuch dann im Krankenhaus fortsetzen.«
»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Charles. »Die vereinte Macht von etablierter Forschung und Medizin würde das auf jeden Fall zu verhindern wissen. Sie würden einfach meinen Geisteszustand in Zweifel ziehen. Wenn ich jetzt von Michelle getrennt werde, wird man mich nie wieder in ihre Nähe lassen. Und das wäre überhaupt nicht gut, nicht wahr?« Charles strich seiner Tochter über das spärlich gewordene Haar. Michelle nickte zustimmend. »Außerdem«, fuhr Charles fort, »habe ich das Gefühl, daß mein Körper allmählich eine verzögerte Allergie gegen Michelles Antigen entwickelt.«
»Wirklich?« sagte Cathryn. Nach den Erlebnissen mit der unberechenbaren Menschenmenge vor dem Haus fiel es ihr schwer, mehr Begeisterung zu zeigen. Daß Charles bei alldem so ruhig bleiben konnte, erstaunte sie.
»Nach der letzten Blutabnahme haben meine T-Lymphozyten im Inkubator eine leichte Reaktion gegen Michelles Leukämiezellen entwickelt. Die Reaktion war eindeutig festzustellen, wenn auch nur sehr schwach. Trotzdem glaube ich, daß ich mir noch eine Dosis des Antigens injizieren sollte. Aber erst einmal müssen sich die Dinge draußen etwas beruhigen.«
Cathryn hörte das dumpfe Dröhnen des Megaphons, aber in dem schweren Schneefall blieben die Worte unverständlich. Am liebsten hätte sie die Zeit angehalten. Denn im Moment fühlte sie sich geborgen, obwohl sie die Bedrohung von draußen spüren konnte.
Der andauernde Schneefall ließ es frühzeitig dunkel werden. Kurz vor dem Abendessen bereitete Charles alles für die nächste Injektion vor. Doch dieses Mal benutzte er eine andere Technik. Er ermutigte Cathryn, ihm an seiner Armvene eine Kanüle anzulegen. Cathryn brauchte zwar mehrere Versuche, aber zu ihrer eigenen Verwunderung schaffte sie es, die Nadel richtig in die Vene zu stechen. Dann erklärte Charles ihr ausführlich, was sie bei der zu erwartenden anaphylaktischen Reaktion seines Körpers zu tun hatte. Sie gab ihm das Epinephrin unmittelbar nach der Injektion der Antigenlösung über die Kanüle direkt in den Kreislauf. Die schweren Atembeschwerden ließen sich so fast völlig unterdrücken.
Während Cathryn anschließend das Essen zubereitete, machte sich Charles daran, das Haus noch besser zu sichern. Er vernagelte jetzt auch die Fenster im zweiten Stock und verstärkte die Barrikaden hinter den Eingängen. Am meisten sorgte er sich jedoch über einen möglichen Einsatz von Tränengas. Er löschte das Feuer im Kamin und verstopfte den Schornstein, damit man ihnen
Weitere Kostenlose Bücher