Fieber
Er riß die Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen, und im selben Moment prallte Angelo gegen seinen Rücken. Die Zentnersäcke trafen Brezo mit voller Wucht. Er wurde über die Veranda zurück in den Schnee geschleudert. Unwillkürlich drückte er noch im Fallen seine Pistole ab. Die Kugel riß Angelos Wade auf und schlug dann in den Verandaboden ein. Auch Angelo wurde noch von den Säcken getroffen. Doch stürzte er seitlich über die Veranda und brach dabei ein Stück aus der zierlichen Holzbalustrade heraus. Wally, der von den Ereignissen völlig überrascht war, setzte mit einem Sprung über die Verandabrüstung und lief zurück zur Scheune. Erst als Angelo aufspringen wollte, um zu fliehen, merkte er, daß er angeschossen war. Sein linkes Bein ließ sich nicht mehr bewegen. Aber Brezo hatte sich inzwischen soweit von seinem Schrecken erholt, daß er zu Angelo lief, um ihn zu stützen.
Charles und Cathryn waren bei dem ohrenbetäubenden Knall des ersten Schusses hochgeschreckt. Als Charles seine Orientierung wiedergefunden hatte, griff er rasend vor Wut nach seinem Gewehr und stürzte in die Küche. Voller Sorge eilte Cathryn zu Michelle, aber das Kind war nicht einmal aufgewacht. Das erste, was Charles sehen konnte, waren die zwei Kartoffelsäcke, die noch immer durch die Tür hin und her pendelten. Er trat auf die Veranda hinaus, doch konnte er kaum weiter als über den Lichtkegel der kleinen Lampe hinaus sehen. Trotzdem glaubte Charles, in der Dunkelheit zwei Gestalten ausmachen zu können, die hinüber zur Scheune liefen. Als er das Licht ausgeschaltet hatte, sah er die beiden Männer besser. Einer schien den anderen zu stützen. Dann waren sie hinter der Scheune verschwunden.
Charles ging zurück in die Küche, schloß die kaputte Tür und sicherte sie mit einem dicken Seil. In das Loch, das die Schrotladung in das Holz gerissen hatte, stopfte er das Sitzkissen von einem Küchenstuhl. Dann hob er die Kartoffelsäcke mit aller Kraft wieder auf ihren Haltemechanismus. Er wußte, daß die Sache nur knapp zu seinen Gunsten ausgegangen war. Aus der Ferne hörte er den Heulton eines Krankenwagens näherkommen. Er fragte sich, ob der Mann, den die Säcke getroffen hatten, schwer verletzt sein konnte.
Charles ging zurück ins Wohnzimmer und erzählte Cathryn, was geschehen war. Er beugte sich über Michelles Bett und legte seine Hand auf ihre Stirn. Das Fieber war mit aller Macht zurückgekommen. Erst nur sanft, dann mit immer heftigeren Stößen versuchte er Michelle zu wecken. Schließlich öffnete sie die Augen, lächelte kurz und fiel sofort wieder in einen tiefen Schlaf.
»Das ist kein gutes Zeichen«, sagte Charles.
»Was denn?« fragte Cathryn.
»Vielleicht sind ihre Leukämiezellen nun schon in ihr zentrales Nervensystem eingedrungen«, antwortete Charles. »Wenn das passiert, braucht sie sofort eine Bestrahlung.«
»Soll das heißen, sie muß zurück ins Krankenhaus?« fragte Cathryn.
»Ja.«
Der Rest der Nacht verlief ereignislos. Beide, Cathryn und Charles, hielten noch einmal für drei Stunden Wache. Als die Dämmerung anbrach, warf Cathryn durch das Fenster neben dem Kamin einen Blick nach draußen. Es waren fünfzehn Zentimeter Neuschnee gefallen. Unten an der Straße war nur noch ein Polizeiwagen zu erkennen.
Ohne Charles zu wecken, ging Cathryn in die Küche undbereitete ein großes Landfrühstück vor. Sie wollte alles um sich herum vergessen, und das konnte sie am besten, wenn sie arbeitete. Sie brühte Kaffee auf, rührte Brötchenteig, holte Schinken aus dem Kühlschrank und schlug Eier in die Pfanne. Als sie alles fertig hatte, lud sie es auf ein Tablett, bedeckte es mit einem frischen Handtuch und trug es ins Wohnzimmer. Dann weckte sie Charles und enthüllte das Festmahl. Auch Michelle erwachte. Es schien ihr besserzugehen als während der Nacht. Aber sie hatte keinen Appetit. Charles kontrollierte sofort ihre Temperatur. Das Thermometer zeigte vierzig Grad Fieber.
Als sie das Geschirr wieder in die Küche trugen, sagte Charles, daß er sich wegen Michelles hohem Fieber Sorgen mache. Er fürchtete, daß sie eine schwere Infektion bekommen könnte. Wenn das Fieber mit Aspirin nicht mehr zurückzudrängen sei, müßte er Michelle ein Antibiotikum geben.
Später nahm er sich wieder etwas Blut ab, isolierte eine Anzahl T-Lymphozyten heraus und mischte sie unter seine eigenen Freßzellen und Michelles Leukämiezellen. Dann beobachtete er die Lösung geduldig unter dem
Weitere Kostenlose Bücher