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Fieber

Titel: Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Schönhauser erkennen. Das harte Licht der Leuchtstoffröhre ließ die Haut des Jungen blaßgrün erscheinen. Dann hörte Cathryn das dunkle Zischen des Sauerstoffs. Marge Schönhauser saß bei dem Fenster links vom Bett und las.
    »Marge«, flüsterte Cathryn.
    Die verhüllte und maskierte Frau sah auf. »Ja?«
    »Ich bin’s. Cathryn.«
    »Cathryn?«
    »Cathryn Martel.«
    »Dem Himmel sei Dank«, sagte Marge, als sie den Namen schließlich einordnen konnte. Sie stand auf und legte ihr Buch auf den Stuhl. Dann nahm sie Cathryn bei der Hand und zog sie hinaus in den Vorraum. Bevor die Tür sich hinter ihnen schloß, sah Cathryn zurück zu Tad. Obwohl er mit offenen Augen dalag, hatte er sich nicht bewegt.
    »Vielen Dank, daß du gekommen bist«, sagte Marge. »Das tut mir wirklich gut.«
    »Wie geht es ihm?« fragte Cathryn. Der merkwürdige Raum, die unförmigen Umhänge … das alles war nicht besonders ermutigend.
    »Sehr schlecht«, antwortete Marge. Sie zog sich die Maske vom Gesicht. Es war ernst und angespannt, die Augen rot und verschwollen. »Zweimal ist ihm Knochenmark von Lisa transplantiert worden, aber es hat nichts genützt. Gar nichts.«
    »Ich hab’ heute morgen mit Nancy telefoniert«, sagte Cathryn. »Ich hatte ja keine Ahnung, daß es ihm so schlecht geht.« Cathryn spürte die seelische Spannung, unter der Marge stand. Sie schien dem Druck kaum noch gewachsen zu sein, wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht.
    »Ich hatte das Wort aplastische Anämie noch nicht einmal gehört«, sagte Marge. Sie versuchte ein Lachen, aber statt dessen flossen ihr die Tränen über das Gesicht. Cathryn merkte, wie auch sie aus Mitgefühl zu weinen begann, und für einige Minuten standen die zwei Frauen aneinandergelehnt und ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Dann trat Marge einen kleinen Schritt zurück, seufzte tief und sah Cathryn lange ins Gesicht. »Oh, wie gut das ist, daß du gekommen bist. Du weißt gar nicht, wie sehr mir das hilft. Eine der schlimmsten Erfahrungen in so einer Situation ist, daß die Leute dich nicht mehr sehen.«
    »Aber ich habe wirklich nichts gewußt«, wiederholte Cathryn reuevoll.
    »Ich mach dir ja auch keinen Vorwurf«, sagte Marge. »Ich meine es ganz allgemein. Ich glaube, die meisten wissen einfach nicht, was sie sagen sollen, oder sie fürchten sich vor dem Ungewissen. Aber es passiert gerade dann, wenn du die anderen am meisten brauchst.«
    »Es tut mir furchtbar leid«, sagte Cathryn. Ihr fiel einfach nichts Besseres ein. Sie wünschte jetzt, schon vor Wochen angerufen zu haben. Marge war älter als sie, näher an Charles’ Jahrgang. Aber sie kamen gut miteinander aus, und als Cathryn nach Shaftesbury gekommen war, hatte Marge sich von Anfang an um sie gekümmert und ihr geholfen. Die anderen Neuengländer waren dagegen sehr unterkühlt gewesen.
    »Ich gebe dir doch keine Schuld«, sagte Marge. »Aber ich fühle mich so hilflos und alleingelassen. Die Ärzte haben mir heute morgen gesagt, daß Tad vielleicht sterben wird. Sie versuchen, mich auf das Schlimmste vorzubereiten. Ich will auch nicht, daß er leiden muß, aber ich will auch nicht, daß er stirbt.«
    Cathryn war wie gelähmt. Sterben? Tod? Das waren Worte, die für alte Leute Bedeutung hatten, aber doch nicht für einen kleinen Jungen, der noch vor ein paar Wochen lebenslustig durch ihre Küche getobt war. Nur mit Mühe widerstand sie der Versuchung, aus dem Raum zu laufen. Statt dessen nahm sie Marge in die Arme.
    »Ich weiß nicht, aber ich frag mich immer, warum«, schluchzte Marge. Verzweifelt versuchte sie, nicht ganz die Fassung zu verlieren. »Man sagt so, daß der Herrgott seine eigenen Gründe hat, aber ich möchte gerne wissen, warum. Er war so ein guter Junge. Es ist so ungerecht.«
    Cathryn nahm ihre ganze Kraft zusammen und begann zu sprechen. Sie sagte einfach, was ihr in den Sinn kam. Sie sprach von Gott und vom Tod, und irgendwie war sie selbst darüber überrascht, denn sie war nicht religiös, jedenfalls nicht im gewöhnlichen Sinn. Sie war katholisch erzogen worden, und mit zehn Jahren hatte sie sogar kurz überlegt, Nonne zu werden. Aber dann, während sie studierte, hatte sie sich gegen die strengen Regeln und Rituale der Kirche aufgelehnt und war in bestimmter Weise eine Freidenkerin geworden, die sich um ihren Glauben nicht mehr besonders sorgte. Aber jetzt mußten ihre Worte Sinn verbreitet haben, denn Marge beruhigte sich langsam. Ob nun das, was sie gesagt hatte, dafür

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