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Fieber

Titel: Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sich Michelle immer noch schlecht?« fragte Charles. Es war klüger, über Heilmittel zu reden.
    »Das sollte ich gerade dir nicht sagen müssen. Das Kind fühlt sich schon seit einiger Zeit krank.«
    Erbittert zog Charles den Duschvorhang zur Seite. »Cathryn, ich bin Krebsforscher und kein Kinderarzt.«
    »Oh, entschuldige bitte.« Cathryn hob ihr Gesicht dem Wasserstrahl entgegen. »Ich dachte, du wärst Arzt.«
    »Ich lasse mir von dir keinen Streit aufdrängen«, antwortete Charles gereizt. »Viele Leute haben jetzt Grippe. Und Michelle ist anfällig dafür. Man fühlt sich eine Woche lang elend, und dann ist alles vorbei.«
    Cathryn nahm ihren Kopf aus dem Wasserstrahl und sah Charles direkt ins Gesicht. »Nur, daß sich Michelle schon seit vier Wochen schlecht fühlt.«
    »Vier Wochen?« fragte Charles. Die Zeit schien sich angesichts seiner Arbeit in nichts aufzulösen.
    »Vier Wochen«, wiederholte Cathryn. »Ich glaube nicht, daß ich gleich beim ersten Anzeichen einer Erkältung in Panik gerate. Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich mit Michelle ins Kinderkrankenhaus fahre, damit Dr. Wiley sie sich einmal ansieht. Außerdem kann ich dann gleich den kleinen Schönhauser besuchen.«
    »Also gut, ich schau’ mir Michelle an«, gab Charles nach. Dann drehte er sich wieder zum Waschbecken. Vier Wochen waren eine lange Zeit für eine Grippe. Vielleicht hatte Cathryn übertrieben, aber er hütete sich, noch einmal zu fragen. Besser wechselte er das Thema. »Was hat der kleine Schönhauser?« Die Schönhausers waren Nachbarn von ihnen, die knapp zwei Kilometer den Fluß hinauf wohnten. Henry Schönhauser war Chemiker am M.I.T. und einer der wenigen Menschen, mit denen Charles auch gern einmal einen Abend verbrachte. Der Junge der Schönhausers, Tad, war ein Jahr älter als Michelle. Doch weil sein Geburtstag so ungünstig fiel, waren beide in derselben Klasse.
    Cathryn stieg aus der Duschwanne, zufrieden, daß ihre Taktik, Charles an das Bett von Michelle zu dirigieren, so hervorragend geklappt hatte. »Tad ist seit drei Wochen im Krankenhaus. Soviel ich gehört habe, ist er sehr krank. Aber ich habe seit seiner Einlieferung nicht mehr mit Marge gesprochen.«
    »Welche Diagnose?« Charles hielt den Rasierer unter seine linke Kotelette.
    »Etwas, das ich noch nie gehört habe. Elastische Anämie oder so ähnlich.« Cathryn rieb ihren Körper mit einem Handtuch ab.
    »Aplastische Anämie?« fragte Charles ungläubig.
    »Ja, so hörte es sich an.«
    »Mein Gott.« Charles lehnte sich an das Waschbecken. »Das ist schrecklich.«
    »Was ist das?« Eine Angst durchfuhr Cathryn.
    »Es ist eine Krankheit, bei der das Knochenmark aufhört, Blutzellen zu bilden.«
    »Ist das eine ernste Krankheit?«
    »Es ist in jedem Fall ernst und meistens auch tödlich.«
    Cathryns Arme hingen schlaff an ihren Seiten herunter, ihr feuchtes Haar glich einem nassen Mop. Ein merkwürdiges Gefühl aus Mitleid und Furcht breitete sich in ihrem Körper aus. »Ist es ansteckend?«
    »Nein«, antwortete Charles abwesend. Er versuchte sich andas zu erinnern, was er über das Krankheitsbild wußte. Es war keine gewöhnliche Krankheit.
    »Michelle und Tad sind viel zusammen gewesen«, sagte Cathryn. Ihre Stimme klang zögernd.
    Charles sah sie an und merkte, daß ihre Zweifel noch nicht ausgeräumt waren. »Augenblick jetzt, du glaubst doch nicht etwa, daß Michelle auch eine aplastische Anämie hat, oder?«
    »Könnte es denn sein?«
    »Nein. Mein Gott, du bist wie ein Medizinstudent. Kaum hörst du von einer neuen Krankheit, denkst du fünf Minuten später schon, daß du selbst oder deine Kinder sie haben. Aplastische Anämie ist unglaublich selten. Meistens hängt ihr Ausbruch mit einem Medikament oder eine Chemikalie zusammen. Es ist entweder eine Vergiftung oder eine allergische Reaktion. Doch die tatsächliche Ursache wird in den meisten Fällen nicht gefunden. Auf keinen Fall aber ist sie ansteckend. Trotzdem, der Junge tut mir leid.«
    »Und ich habe Marge nicht einmal angerufen«, sagte Cathryn. Sie beugte sich vor und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Sie versuchte sich vorzustellen, unter welcher seelischen Belastung Marge jetzt stand. Es gab keine Entschuldigung für ihre Gedankenlosigkeit. Besser, sie schrieb sich wieder alles auf Notizzettel, wie sie es vor ihrer Heirat getan hatte.
    Gedankenverloren rasierte Charles seine linke Gesichtshälfte. Vielleicht war aplastische Anämie die Krankheit, der er auf den Grund gehen sollte.

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