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Fieber

Titel: Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Konnte sie einen Anhaltspunkt liefern über den Aufbau des Lebens? Wo war der Kontrollmechanismus, der die Funktion des Knochenmarks ausschaltete? Das war der entscheidende Punkt. Denn nach all seinen Arbeiten war Charles der Überzeugung, daß die Frage der Kontrolle der Schlüssel zum Verständnis von Krebs war.
     
    Sanft klopfte Charles mit dem Knöchel seines Zeigefingers an Michelles Tür. Dann lauschte er in die Stille, doch er hörte nur das Geräusch der Dusche im nebenan gelegenen Badezimmer. Leise öffnete er die Tür. Michelle lag auf ihrem Bett, das Gesicht abgewandt. Plötzlich drehte sie sich herum, und sie blickten einander ins Gesicht. Die Tränen, die Michelle über die erhitzten Wangen flossen, funkelten im Morgenlicht. Charles empfand heftiges Mitleid.
    Michelle hatte die Decke bis zu ihren Augen hochgezogen. Charles setzte sich zu ihr auf die Bettkante, beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie auf die Stirn. Seine Lippen spürten ihr Fieber. Dann richtete er sich auf und sah hinunter auf sein kleines Mädchen. Leicht konnte er in Michelles Gesicht die Züge von Elisabeth, seiner ersten Frau, wiederfinden. Sie hatte dasselbe volle, schwarze Haar, dieselben hohen Wangenknochen und vollen Lippen, dieselbe makellose Haut. Von Charles hatte Michelle die leuchtend blauen Augen, die ebenmäßigen weißen Zähne und leider auch die etwas breite Nase. Für Charles war sie das schönste zwölfjährige Mädchen auf der ganzen Welt.
    Mit seinem Handrücken wischte er ihr die Tränen von den Wangen.
    »Es tut mir leid, Daddy«, sagte Michelle unter Schluchzen.
    »Was tut dir leid?« fragte Charles sanft.
    »Es tut mir leid, daß ich wieder krank bin. Ich will keine Last für euch sein.«
    Charles nahm sie in den Arm. Sie fühlte sich zerbrechlich an. »Du bist doch keine Last. So etwas will ich gar nicht erst hören. Und nun laß dich anschauen.«
    Verlegen wegen ihrer Tränen hielt Michelle ihr Gesicht abgewandt, als Charles sich zurücklehnte, um sie zu untersuchen. Zärtlich legte er seine Hand um ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu seinem empor. »Jetzt sag mir, wie du dich fühlst. Was tut dir weh?«
    »Ich fühl’ mich nur ein bißchen schwach, das ist alles. Ich kann zur Schule gehen, ganz bestimmt.«
    »Ist der Hals entzündet?«
    »Ein bißchen. Nicht schlimm. Cathryn sagt, daß ich nicht zur Schule darf.«
    »Fehlt dir sonst noch etwas? Hast du Kopfschmerzen?«
    »Ein bißchen, aber es ist schon besser geworden.«
    »Und die Ohren?«
    »Die sind in Ordnung.«
    »Der Bauch?«
    »Der tut ein bißchen weh.«
    Charles zog Michelles unteres Augenlid herunter. Die Bindehaut war blaß. Ja, ihr ganzes Gesicht war blaß. »Laß mich deine Zunge sehen.« Plötzlich fiel Charles ein, wie lange es schon her war, seit er diese klinischen Untersuchungen das letzte Mal gemacht hatte. Michelle streckte ihre Zunge heraus und schaute ihrem Vater aufmerksam in die Augen, um auch das kleinste Zeichen von Sorge sofort herauslesen zu können. Charles fühlte unter den Winkel ihres Unterkiefers, und sie zog die Zunge wieder in den Mund. »Ist das da empfindlich?« fragte Charles, als seine Finger einige kleine Lymphknoten ertasteten.
    »Nein«, antwortete Michelle.
    Charles ließ sie sich auf die Bettkante setzen, das Gesicht von ihm abgewandt. Dann zog er ihr Nachthemd hoch. Plötzlich erschien Jean Pauls Kopf in der Verbindungstür zum Badezimmer. Er wollte seiner Schwester sagen, daß die Dusche jetzt frei war.
    »Verschwinde hier«, schrie Michelle. »Dad, sag Jean Paul, daß er weggehen soll.«
    »Raus!« sagte Charles. Jean Paul verschwand. Kurz darauf konnte man ihn mit Chuck lachen hören.
    Etwas ungeschickt klopfte Charles den Rücken Michelles ab. Doch es reichte, ihn zu überzeugen, daß ihre Lungen klar waren. Dann ließ er sie sich zurück auf das Bett legen und zog ihr Nachthemd hoch bis zu ihren kleinen Brüsten. Rhythmisch hob und senkte sich ihr schmaler Unterleib. Sie war so mager, daß er ihr Herz nach jedem Schlag zurückfallen sehen konnte. Mit seiner rechten Hand begann Charles ihr Abdomen abzutasten. »Versuch jetzt, dich zu entspannen. Wenn es weh tut, sag es mir.«
    Michelle versuchte stillzuliegen, aber Charles’ Hand war so kalt, daß sie sich zu winden begann. Dann spürte sie einen Schmerz. »Wo?« fragte Charles. Michelle zeigte es ihm, und vorsichtig befühlte Charles die Stelle noch einmal. Er stellte fest, daß die Schmerzzone entlang der Mittellinie von Michelles Abdomen verlief. Dann

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