Fiebertraum
mehr. Bringt mich noch mehr in seine Gewalt. Abner, bitte, verstehen Sie mich doch! Ich könnte es niemals tun. Er würde mich mit seinen Augen ansehen, und ehe ich noch einen weiteren Schritt tun könnte, wäre ich völlig unter seinem Einfluß. Sehr wahrscheinlich wären Sie es, den ich töten würde, und nicht Julian.«
»Dann werden Toby und ich die Angelegenheit erledigen«, entschied Marsh.
»Abner, Sie hätten keine Chance. Hören Sie auf mich. Jetzt können wir noch fliehen. Ich bin ein großes Risiko eingegangen, um Sie zu retten. Setzen Sie nicht alles aufs Spiel!«
Marsh schaute Billy hilflos an und ließ sich alles durch den Kopf gehen. Wahrscheinlich hatte Joshua recht. Außerdem war das Gewehr nicht mehr in seinem Besitz, und sie hatten nichts mehr, um Julian endgültig auszuschalten. Messer und Fleischerbeile wären dazu wohl ungeeignet, und Marsh hatte eigentlich nicht allzuviel Interesse, sich mit Julian auf einen Zweikampf einzulassen. »Wir verschwinden«, entschied er endlich, »aber erst, nachdem ich den hier zur Hölle geschickt habe.«
Sour Billy wimmerte. »Nein!« heulte er. »Lassen Sie mich gehen, ich werde Ihnen helfen!« Sein pockennarbiges Gesicht war schweißnaß. »Sie haben es immer gut gehabt, mit Ihrem verdammten eleganten Dampfer und allem, ich hatte keine andere Wahl, ich hatte nie etwas, keine Zuhause, kein Geld, ich mußte immer tun, was andere mir befahlen.«
»Du bist nicht der einzige, der arm aufgewachsen ist«, sagte Marsh. »Das ist keine Entschuldigung. Daß du so bist, wie du bist, war verdammt noch mal deine eigene Entscheidung.« Seine Hand zitterte. Er hätte ihm das Messer so gern zwischen die Rippen gejagt, daß es ihm schon fast weh tat, aber irgendwie schaffte er es nicht, jedenfalls nicht so. »Verdammter Kerl!« knurrte er unwillig. Er nahm den Arm von Billys Kehle und trat zurück, während Billy auf die Knie sank. »Komm schon, du bringst uns jetzt unbehelligt zur Jolle.«
Toby stieß einen enttäuschten Laut aus, und Sour Billy musterte ihn wachsam. »Halten Sie mir ja diesen verdammten Niggerkoch vom Leib! Ihn und sein Fleischerbeil, die sollen mir ja nicht zu nahe kommen!«
»Auf die gottverdammten Füße!« befahl Marsh. Er schaute hinüber zu Joshua, der sich eine Hand auf die Stirn gelegt hatte. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
»Die Sonne«, murmelte York matt. »Wir müssen uns beeilen!« »Die anderen«, sagte Marsh. »Was ist mit Karl Framm? Lebt er noch?«
Joshua nickte. »Ja, und die anderen, aber wir können sie nicht alle befreien. Wir haben keine Zeit dazu. Es dauert sowieso schon viel zu lange.«
Abner Marsh runzelte die Stirn. »Das kann schon sein«, sagte er, »aber ich gehe nicht ohne Mister Framm von hier weg. Er und Sie sind die einzigen, die diesen Dampfer steuern können. Wenn Sie beide nicht mehr da sind, dann hängt das Schiff hier fest, bis wir zurückkommen können.«
Joshua nickte. »Er wird bewacht. Billy, wo ist Framm jetzt?«
Sour Billy hatte sich aufgerafft und stand wieder. »Valerie«, sagte er, und Marsh erinnerte sich an die bleiche Gestalt und an die verlockenden violetten Augen, die ihn in die Dunkelheit gezogen hatten.
»Gut«, sagte Joshua. »Dann schnell!« Und sie gingen los, wobei Marsh Sour Billy bewachte und Toby seine Waffen wieder in den Falten und Taschen seines Anzugs versteckte. Framms Kabine befand sich oben auf dem Texasdeck, aber auf der anderen Seite des Schiffs. Das Fenster war mit Vorhängen zugezogen und mit Fensterläden gesichert. Die Tür war abgeschlossen. Joshua zertrümmerte das Schloß mit einem einzigen Schlag seiner harten weißen Hand und stieß die Tür auf. Marsh drängte sich hinter ihm hinein und stieß Sour Billy vor sich her.
Framm war vollständig bekleidet, lag bäuchlings auf dem Bett und bekam von dem Geschehen nichts mehr mit. Aber neben ihm richtete sich eine bleiche Gestalt auf und starrte sie mit wütenden Augen an. »Wer . . . Joshua? « Sie erhob sich schnell vom Bett. Das Nachthemd umfloß sie wie ein weiter Schleier. »Es ist Tag . Was willst du?«
»Ihn«, antwortete Joshua. » Es ist Tag! « wiederholte Valerie drängend. Ihre Blicke glitten über Marsh und Sour Billy. »Was hast du vor?« »Ich verschwinde«, sagte Joshua York, »und Mister Framm begleitet uns.«
Marsh wies Toby an, auf Billy zu achten, und trat zum Bett. Karl Framm rührte sich nicht. Marsh drehte ihn auf den Rücken. An seinem Hals waren Wunden zu erkennen, und getrocknetes Blut
Weitere Kostenlose Bücher