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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Mannschaft, die keine Gespenster sind. Sie hat keine Beleuchtung, die Ozymandias , daher kann man sie manchmal erst sehen, wenn sie schon dicht hinter einem ist und die schwarzen Räder das Wasser hochschleudern. Wenn ihr sie seht, dann solltet ihr froh sein, wenn ihr einen schnellen Lotsen habt und vielleicht auch etwas Petroleum an Bord oder eine kleine Ladung Talg. Denn sie ist groß, und sie ist schnell, und wenn sie einen von euch bei Nacht erwischt, dann ist es mit dem Betreffenden zu Ende. Achtet auf ihre Pfeife. Sie gibt erst dann ein Signal von sich, wenn sie weiß, daß sie wieder jemanden erwischt hat. Wenn ihr sie also hört, dann fangt schon mal an, eure Sünden aufzuzählen.«
    »Wie klingt denn die Pfeife?«
    »Genauso, als würde ein Mensch schreien«, sagte Karl Framm.
    »Und wie lautet noch mal ihr Name?« fragte ein junger Lotse.
    » Ozymandias «, sagte Framm. Er wußte, wie man das Wort aussprach. »Was bedeutet das?« Abner Marsh stand auf. »Es stammt aus einem Gedicht«, sagte er. » Betrachtet meine Werke ihr Mächt’gen und die Not. «
    Die Festgäste sahen ihn verständnislos an, und eine dicke Lady kicherte schrill und nervös. »Auf diesem alten Satansfluß gibt es Flüche und noch weitaus schlimmere Dinge«, meinte ein kleinwüchsiger Zahlmeister. Während er seine Erzählung zum besten gab, ergriff Marsh Karl Framms Arm und zog ihn mit sich nach draußen.
    »Warum, zum Teufel, haben Sie diese Geschichte erzählt?« wollte Marsh wissen.
    »Um ihnen Angst einzujagen«, antwortete Framm. »Damit sie, wenn sie sie eines Nachts sehen sollten, vernünftig genug sind, so schnell wie möglich zu verschwinden.«
    Abner Marsh ließ sich das durch den Kopf gehen und nickte dann widerstrebend. »Ich denke, das ist schon in Ordnung. Sie haben ihr Sour Billys Namen gegeben. Wenn sie Fiebertraum gesagt hätten, Mister Framm, dann hätte ich Ihnen Ihren gottverdammten Schädel abgerissen. Haben Sie verstanden?«
    Framm hörte es, aber es machte ihm nichts aus. Die Geschichte war unter den Leuten, ob das nun gut war oder nicht. Marsh hörte eine leicht verzerrte Version davon aus dem Mund eines anderen Mannes, einen Monat später, als er im Planters’ House dinierte, und noch zwei weitere Male in jenem Winter. Die Geschichte wurde jedesmal leicht verändert, was sonst, und das betraf auch den Namen des schwarzen Dampfschiffs. Ozymandias war einfach für die meisten Erzähler zu schwierig auszusprechen, so schien es. Aber ganz gleich, welchen Namen sie dem verdammten Schiff gaben, es war immer die gleiche verfluchte Geschichte.
    Etwas mehr als ein halbes Jahr später kam Marsh eine andere Geschichte zu Ohren, die sein Leben veränderte.
    Er hatte soeben zum Abendessen in einem kleinen Hotel in St. Louis Platz genommen, billiger als das Planters’ House und das Southern, aber mit gutem Essen. Es wurde auch von nicht vielen Flußleuten besucht, was Marsh nur recht war. Seine alten Freunde und Konkurrenten hatten ihn in den vergangenen Jahren ziemlich schief angesehen oder ihn sogar gemieden, da er offensichtlich vom Unglück verfolgt wurde, oder sie hatten sich nur zu ihm setzen wollen, um sich über seine Pechsträhne zu unterhalten, und Marsh hatte zu dem allen nicht besonders viel Lust. Er zog es vor, wenn man ihn in Ruhe ließ. An jenem Tag im Jahr 1860 saß er friedlich bei Tisch und trank ein Glas Wein und wartete darauf, daß der Kellner eine gebratene Ente und Yamswurzeln und Bohnen und Brot servierte, das er bestellt hatte, als er angesprochen wurde. »Sie habe ich ja mindestens ein Jahr lang nicht mehr gesehen«, sagte der Mann. Marsh erkannte ihn nach einigem Nachdenken. Der Mann war vor ein paar Jahren Heizer auf der A. L. Shotwell gewesen. Widerwillig lud er ihn ein, Platz zu nehmen. »Da lasse ich mich nicht zweimal bitten«, sagte der Ex-Heizer und zog sich sofort einen Sessel heran und fing an zu schwadronieren. Er war nun zweiter Maschinist auf einem New Orleans-Schiff, von dem Marsh noch nie gehört hatte, und wußte eine Menge Klatsch und Flußnachrichten. Marsh hörte höflich zu und fragte sich, wann endlich sein Essen gebracht werde. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen.
    Die Ente wurde gebracht, und Marsh strich gerade Butter auf ein Stück heißes Brot, als der Maschinist sagte: »Sagen Sie mal, haben Sie von diesem Sturm unten in New Orleans gehört?«
    Marsh kaute sein Brot, schluckte, nahm den nächsten Bissen. »Nein«, sagte er nicht sonderlich interessiert. So

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