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Fiebertraum

Fiebertraum

Titel: Fiebertraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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steckte bis zum Heft in seinem Bauch, und ein roter Fleck breitete sich auf seiner Weste aus. »O Gott«, wimmerte der Mann.
    »Das war nur ich«, fuhr Sour Billy fort. »Und ich bin kein Gentleman, nein, Sir, und auch kein ernstzunehmender Sekundant.« Der Mann sackte auf die Knie, und seine Freunde bemerkten es plötzlich und eilten aufgeregt zu ihm hin. »Mister Julian hier, er denkt da ganz anders. Seine Waffen sind« - Billy lächelte - »Zähne.«
    Julian stürzte sich auf Montreuils Freund, auf den mit dem Name Richard. Die anderen wollten sich umdrehen und weglaufen. Cynthia umarmte einen von ihnen in der Gasse und gab ihm einen langen, feuchten Kuß. Er warf sich hin und her, bäumte sich auf, aber er konnte sich nicht aus der Umarmung befreien. Ihre blassen Hände strichen über seinen Nacken, und lange Fingernägel, scharf und dünn wie Rasiermesser, schlitzten seine Venen auf. Ihr Mund verschluckte seinen Schrei.
    Sour Billy zog sein Messer heraus, während Armand sich zu seinem wimmernden Opfer hinabbeugte. Im Mondlicht sah das Blut auf der Klinge fast schwarz aus. Billy schickte sich an, sie im Teich zu säubern, dann zögerte er. Er näherte das Messer seinen Lippen und leckte über die Klinge. Dann verzog er das Gesicht. Es schmeckte widerlich, überhaupt nicht so, wie er es sich immer ausgemalt hatte. Trotzdem, er wußte, das würde sich ändern, wenn Julian ihn verwandelte.
    Sour Billy spülte sein Messer ab und schob es wieder in die Scheide. Damon Julian hatte Richard an Kurt weitergereicht und stand alleine und blickte zum Mond hinauf. Sour Billy trat zu ihm. »Auf diese Weise haben wir eine Menge Geld gespart«, sagte er.
    Julian lächelte.

KAPITEL ELF
 
An Bord des Raddampfers Fiebertraum Natchez, August 1857
     
     
    F ür Abner Marsh wollte die Nacht nicht vorübergehen. Er nahm einen kleinen Imbiß ein, um seinen Magen zu beruhigen und seine Angst zu dämpfen, und kurz darauf zog er sich in seine Kabine zurück, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Stundenlang lag er da, starrte in die Dunkelheit, während in seinem Geist Aufruhr herrschte und seine Gedanken ein Durcheinander von Mißtrauen und Wut und Schuld waren. Unter dem dünnen gestärkten Laken schwitzte Marsh wie ein Schwein. Wenn er doch einmal einschlief, dann wälzte und warf er sich herum und erwachte häufig, gepeinigt von Träumen voller Blut und brennender Dampfboote und gelber Zähne und Joshua Anton York, der fahl und kalt unter einem scharlachroten Lichtkegel stand, Fieber und Tod in den zornblitzenden Augen.
    Der nächste Tag war der längste Tag, den Abner Marsh je erlebt hatte. All seine Gedanken führten ihn unaufhörlich im Kreis herum und brachten ihn immer wieder an den gleichen Ort zurück. Gegen Mittag wußte er, was er tun mußte. Er war erwischt worden, daran ließ sich nichts ändern. Dem mußte er sich stellen und Joshua alles gestehen. Wenn dies das Ende ihrer Partnerschaft bedeutete, dann sollte es wohl so sein, wenngleich die Vorstellung, seine Fiebertraum zu verlieren, Marsh krank und trübsinnig machte, ihn in die gleiche Verzweiflung stürzte, die er an dem Tag empfunden hatte, an dem er die Holztrümmer hatte sehen müssen, zu denen das Eis seine Dampfboote zerquetscht hatte. Es wäre sein Ende, dachte Marsh, und vielleicht verdiente er es deshalb nicht anders, weil er Joshuas Vertrauen mißbraucht hatte. Aber es konnte nicht einfach so weitergehen wie bisher. Joshua mußte die ganze Geschichte auch aus seinem Munde hören, beschloß Marsh, was bedeutete, daß er ihn eher aufsuchen mußte als diese Frau, Katherine.
    Er ließ die Anweisung verbreiten. »Ich will sofort Bescheid bekommen, wenn er zurückgekehrt ist«, sagte er, »ganz gleich, wann das ist oder was ich gerade tue, jemand soll mich holen. Verstanden?« Dann wartete Abner Marsh und suchte so gut wie möglich Trost in einem Mittagessen aus Schweinebraten mit grünen Erbsen und Zwiebeln und einem halben Blaubeerkuchen als Nachtisch.
    Zwei Stunden vor Mitternacht kam jemand von der Mannschaft zu ihm. »Cap’n York ist zurück, Cap’n. Hat ein paar Leute mitgebracht. Mister Jeffers teilt ihnen gerade Kabinen zu.«
    »Ist Joshua schon in seiner Kabine?« fragte Marsh. Der Mann nickte. Marsh schnappte sich seinen Spazierstock und ging zur Treppe.
    Vor Yorks Kabine zögerte er kurz, straffte die breiten Schultern und schlug mit dem Knauf seines Stocks hart gegen die Tür. York öffnete beim dritten Klopfen. »Kommen Sie rein, Abner«,

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