Fiese Finsterlinge
schlang ihm schnell die Kette um den Fußknöchel, während er sich am Boden wand und versuchte sein gewaltiges Gewicht emporzustemmen und sich aufzusetzen. Das Geräusch und der Geruch von Metall, das gegeneinanderreibt, ließen Lilli zusammenzucken. Sie kam sich vor wie in einer Fabrik, in der die Maschinen auf Hochtouren liefen.
Die Kette war angelegt, bevor der Hämmernde Mann sich aufrappeln konnte. Lilli zog die Glieder straff und schob den Sicherungsbolzen hindurch, so dass die Kette den Fußknöchel der Skulptur fest umschloss. Danach rannte Lilli zurück zum Abschleppwagen, schob die noch immer angeschlagene Sandy auf den Beifahrersitz und schaltete in den Rückwärtsgang.
Als der Abschleppwagen außer Reichweite der Skulptur war, hielt Lilli an, sprang wieder hinaus und befestigte das andere Kettenende am Sockel einer Straßenlaterne.
Richie und Sandy lugten stöhnend aus dem Wagen. Zoot kam schwankend die Straße entlanggewatschelt. Sein halber, tropfender Körper war völlig unförmig, hatte noch nicht seine runde pummelige Gestalt zurückerlangt.
»Was ist passiert?«, fragte Richie.
»Ich habe für dich Cowboy gespielt«, sagte Lilli. »Welcher Dämon das auch immer ist, der von Nates Dachboden geflohen ist und die Skulptur mit Chaos infiziert hat, in ihm ist viel Wut aufgestaut.«
Sie wandten sich um und sahen den Hämmernden Mann auf dem Gehsteig hocken. Er war nun ganz ruhig und wirkte traurig, während er langsam und mechanisch den Hammer auf die Eisenkette niederfahren ließ.
»Das sollte ihn eine Weile beschäftigen«, sagte Lilli.
»Es sieht richtig gut aus, wie er so dasitzt«, sagte Richie und neigte den Kopf zur Seite.
»Ja«, stimmte Sandy ihm zu. »Du hast wirklich eine ausgeprägte künstlerische Ader, Lilli.«
8. Kapitel
Inselleben
N ate wusste nicht, wie lange er schon in dem Plastikiglu lag. Erschöpft vom Schiffbruch, vom Beinahe-Ertrinken und von der groben Behandlung durch die Inselbewohner, war er sofort eingeschlafen. Als er erwachte, trug er einen weißen Plastikkittel, und als Carma mit einer Kerze in der Hand die Luke aufklappte, war es draußen dunkel.
»Aufwachen, Nate«, zwitscherte sie viel zu fröhlich für eine Kidnapperin.
»Was ist los?«
»Wir treffen uns am Feuerkreis zu einem Gespräch über dich. Das bedeutet, du bleibst vielleicht bei uns! Aber zuerst muss ich mehr über dich erfahren.«
»Ich stamme aus Seattle.«
»Nein, ich meine, warum du hier bist.« Carma legte ihm eine Hand auf den Arm. Ihre Berührung war weich und beruhigend. »Ich habe dir ein paar Geheimnisse über uns verraten, stimmt’s? Da wäre es doch nur fair, wenn ich auch ein bisschen was von dir erfahre.«
Nate hatte ebenfalls ein paar Geheimnisse, klar. Carma sah ihn erwartungsvoll an, und er merkte, dass er ihr am liebsten einiges, vielleicht sogar alles erzählen würde. Aber gerade als er zu sprechen anfangen wollte, steckte der Hüne seinen Kopf in das Iglu.
»Wir sind vollzählig, Carma. Bring den Angespülten raus.«
»Schhhh«, machte sie. »Noch nicht.«
»Wer ist der Grobian?«, fragte Nate.
Carma beugte sich zu ihm vor und flüsterte: »Das ist Franco. Er ist vor ungefähr sechs Monaten aus Europa zu uns gestoßen.«
»Schätzungsweise aus… Frankreich?«
»Er ist unser Friedensstifter«, fuhr Carma fort.
»Der Kerl, der mich am Strand mit einem Katapult umgeschossen hat, ist für den Frieden zuständig?«
»Jede Gesellschaft, die Regeln hat, braucht jemanden, der die Regeln durchsetzt«, erklärte Carma.
»Jetzt komm schon«, rief Franco von oben.
Carma erhob sich.
»Wohin gehen wir?«, fragte Nate.
»Na, zum Feuerkreis. Du lernst die anderen kennen.«
Sie rang sich ein nettes Lächeln ab, aber Nate hatte das Gefühl, dass es ganz und gar nicht nett sein würde, die anderen kennen zu lernen. Er stand auf und folgte Carma die Stufen hinauf, wo Franco ihn mit Plastikfesseln erwartete.
Als Pernikus und Nikolai sich aus dem Abfall herausgewühlt hatten, der den Plastikstrand verunzierte, war Nate
verschwunden, verschleppt von den seltsamen Inselbewohnern.
Pernikus verwandelte sich in einen Plastikdeckel und rollte über den Strand, folgte den Entführern wie ein weggeworfener Gegenstand, der im Wind trieb, ohne dass es Wind gab. Nik schlich ihm in einiger Entfernung nach – es war schwer für ihn, seinen muskelbepackten blauen Fellkörper auf der kahlen Inseloberfläche zu verbergen.
Als sie das Lager erreichten, saßen die Bewohner an einer
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