Fieses Karma
blättere mehrere Seiten um, auf denen die neuesten Entwicklungen der Operationen stehen, die wir in den letzten Wochen durchgeführt haben: Heathers Trennung von Mason, Ryans Ausschluss aus dem Baseballteam, der Zeitungsartikel über Mason, die Offenbarung, dass Seths Eltern ihn zu einem Seelenklempner geschickt haben, um ihm seine ungewöhnliche Vorliebe für ältere Frauen auszutreiben. Als ich schließlich eine leere Seite finde, schreibe ich »Ryan Feldman, Nachtrag Nr. 2« als Überschrift hin. Darunter notiere ich das heutige Datum und die neueste Sensation, dass Ryan jetzt ohne ein ganz wichtiges motorisiertes Transportmittel auskommen muss.
Nicht, dass ich ihn verurteilen würde oder so was. Schließlich schreibe ich diesen Nachtrag im Schulbus. Doch der Unterschied zwischen Ryan und mir ist, dass er ein gemeiner, egoistischer Kerl ist, der Angie das Herz gebrochen und daher alles verdient hat, was ihm passiert. Sein Ungleichgewicht im Universum war von monumentalem Ausmaß. Eine echte Katastrophe. Ich dagegen versuche nur, alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ich tue dem Universum bloß einen Gefallen. Und dabei habe ich irgendwie eine kleine Pechsträhne erwischt. Das ist alles.
Ich bin gerade mit dem Nachtrag fertig, als mein Handy wieder klingelt. Diesmal ist es Spencer. Seit Neuestem spüre ich immer kleine Schmetterlinge im Bauch, wenn ich seinen Namen auf dem Display sehe. Ich weiß zwar, dass wir nur Spaß miteinander haben und er nicht mein Freund ist, aber das bedeutet schließlich nicht, dass ich nicht ein bisschen nervös werden darf, wenn er anruft.
Ich klappe das Notizbuch zu und lege es neben mir auf den Sitz. Dann gehe ich ans Telefon.
»Was gibt’s Neues, Süße?«, tönt Spencers Stimme durchs Handy und mir schmilzt fast das Herz in der Brust.
Manchmal macht er das. Manchmal nennt er mich »Süße«. Und ich will nicht lügen – ich finde es toll. Welches Mädchen würde es nicht toll finden? Aber keine Angst, ich bleibe absolut vernünftig. Denn jedes Mal, wenn er es tut, ermahne ich mich, mich nicht zu sehr darüber zu freuen. Ich habe das Ganze total unter Kontrolle. Schließlich habe ich schon gesehen, was dieser Typ seinen Freundinnen antun kann. Und ich bin nicht sicher, ob ich dieses Jahr noch eine öffentliche Erniedrigung ertragen könnte.
»Nicht viel«, erwidere ich. »Ich fahr nur nach Hause.«
»Hast du heute Zeit?«
Okay, das ist eine dieser Fragen, bei denen man nicht lange überlegen muss, bevor man antwortet. Also sage ich spontan: »Klar«, auch wenn ich in Wirklichkeit »Ja! Definitiv! Zweifellos! Wo soll ich unterschreiben?« meine.
»Cool. Ich fahr gleich los. Wie wär’s, wenn ich dich in zehn Minuten bei dir zu Hause abhole?«
»Okay«, sage ich. »Bis gleich.« Dann lege ich auf, ohne mir Gedanken darüber zu machen, wie lange es noch dauert, bis ich zu Hause bin. Denn offensichtlich ist »Wie wär’s, wenn ich dich in zehn Minuten bei dir zu Hause abhole?« auch wieder so eine Frage, bei der man über die Antwort nicht nachdenken muss. Außer, dass es wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn ich nachgedacht hätte. Denn wenn ich es nicht bis nach Hause schaffe, bevor Spencer da ist, sieht er, dass ich aus dem Bus steige. Und es gibt nichts Abtörnenderes, als zu sehen, wie das Mädchen, mit dem man gleich rumknutschen wird, mit einem Meer von Schulkindern mit Zahnspangen aus einem großen gelben Bus steigt.
Schnell hole ich mein Handy wieder raus und rufe Spencer zurück, doch er meldet sich nicht.
Verdammt! Okay, jetzt muss ich jeden Schritt sorgfältig planen. Falls Spencer schon in unserer Einfahrt parkt, wenn der Bus vor meinem Haus um die Ecke biegt, werde ich den Fahrer einfach bitten, mich an der nächsten Haltestelle rauszulassen. Und dann renne ich zu unserem Haus zurück und sage Spencer, ich wäre noch eine Runde gejoggt. Jogging ist schließlich sexy, oder? Sportlich und so.
Aber warum sollte ich in meinem Schulklamotten joggen gehen? Und noch dazu mit dem Rucksack auf dem Rücken? Das würde ich nie machen. Also gut, diese Option ist definitiv gestrichen.
Leider habe ich kaum Zeit, mir etwas anderes auszudenken, denn im Handumdrehen biegt der Bus um die Kurve, und als ich nervös aus dem Fenster sehe, fährt Spencers Cabrio direkt vor dem Bus.
In dem Augenblick, in dem der Bus hält, biegt Spencer in unsere Einfahrt ab. Hastig ergreife ich meinen Rucksack und gehe nach vorne. Meine einzige Chance ist, ein gewagtes Duck-Manöver
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