Fieses Karma
letzten zehn Minuten so ehrlich war, habe ich immer noch ein riesiges Geheimnis: Den wahren Grund, warum Jade und Angie nichts von uns wissen dürfen. Ich bin absolut nicht bereit, dieses Geheimnis mit Spencer zu teilen. Daher sage ich ihm, dass ich wohl immer noch an der Geschichte mit Mason kaue und dass ich deshalb noch nicht so weit bin, unsere »Beziehung« öffentlich zu machen.
Er scheint es zu verstehen. Auf alle Fälle verhält er sich so, als würde er es verstehen. Daher fahren wir zu ihm. Doch wir machen nicht das, was wir sonst immer machen. Was bedeutet, dass wir diesmal nicht sofort in seinem Zimmer verschwinden und anfangen zu knutschen. Stattdessen kuscheln wir auf der Couch im Fernsehzimmer im Obergeschoss und sehen uns auf einem der Dutzend Flachbildschirme der Coopers einen Spielfilm an. Und ich muss zugeben, im Augenblick fühlt es sich sogar besser an als Knutschen.
Vorsicht vor
dem Puten-Chili
Am nächsten Montag sitze ich in der Schulaula und warte darauf, dass die Theaterproben für Betty und ihre Schwestern anfangen. Natürlich bin nicht ich es, die vorsprechen wird. Vor allem nicht nach meinem Auftritt in »Ich hab nur die Post bei den Nachbarn abgeholt« am vergangenen Freitag. Jade spricht für die Hauptrolle vor. Für sie ist dies ein ganz wichtiger Augenblick. Denn wenn sie die Rolle bekommt, hat sie anschließend gute Chancen auf eines der kostbaren Stipendien für das Schauspielprogramm an der UCLA, der Universität des Staates Kalifornien. Ich habe ihr versprochen, als moralische Unterstützung zur Probe mitzukommen. Außerdem habe ich in letzter Zeit ein ziemlich schlechtes Gewissen, weil ich so viele Lügen erzählt habe, um mit Spencer zusammen zu sein. Ich will damit einen Teil meiner Schuld wiedergutmachen.
Es fühlt sich irgendwie komisch an, dass Spencer und ich jetzt in gewisser Weise zusammen sind. Er musste mir hoch und heilig versprechen, unsere Beziehung noch mindestens ein paar Wochen lang für sich zu behalten. Und ich habe keine Ahnung, was danach passiert.
Ich weiß, dass ich mit jedem einzelnen Tag, an dem ich ihn vor meinen Freunden verheimliche, mein Grab nur noch tiefer schaufle. Denn wenn ich es ihnen dann irgendwann beichte, ist das noch ein Tag mehr, an dem ich sie angelogen habe. Eine Lüge nach der anderen. Aber ich kann es ihnen unmöglich sagen.Sie würden es nicht verstehen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich verstehe, was hier passiert.
Mr Kent, der Leiter der Theater-AG, betritt die Bühne und begrüßt alle. Ich sehe mich in der Aula nach Jade um, doch ich kann sie nirgendwo entdecken. Wahrscheinlich versteckt sie sich irgendwo hinter der Bühne und geht ihre Zeilen noch einmal durch, bevor sie mit dem Vorsprechen dran ist.
Erst als Mr Kent alle, die sich um die Rolle der Jo bewerben, auffordert, sich nach vorne in die erste Reihe zu setzen, damit er sie nacheinander aufrufen kann, merke ich, dass irgendwas nicht stimmt. Jade ist immer noch nicht da.
Ich schicke ihr eine kurze SMS, aber sie antwortet nicht. Also mache ich mich auf die Suche nach ihr.
Zuerst schaue ich in dem Raum nach, in dem sie zuletzt Unterricht hatte. Vielleicht ist sie in eine Unterhaltung mit ihrem Lehrer vertieft und hat darüber die Zeit vergessen. Doch das Zimmer ist leer. Dann suche ich sie vor ihrem Spind auf dem Flur. Keine Spur von ihr. Mit jeder Minute werde ich unruhiger. Wenn sie es in der nächsten halben Stunde nicht in die Aula schafft, kann sie die Rolle vergessen. Ganz zu schweigen von ihrer Chance auf ein Stipendium an der UCLA. Gleichgültig und verantwortungslos zu handeln, passt nicht zu Jade. Vor allem, wenn es um etwas geht, das ihr so wichtig ist.
Ich stecke den Kopf noch einmal in die Aula, um zu sehen, ob sie sich in letzter Minute hineingeschlichen hat, aber sie ist immer noch nicht aufgetaucht.
Jetzt mache ich mir ernsthafte Sorgen. Was ist, wenn ihr etwas Schlimmes zugestoßen ist? Wenn sie die Treppe runtergefallen ist, das Bewusstsein verloren hat und vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht worden ist? Vielleicht ging sie gerade den Flur entlang zur Aula, als sich plötzlich ein Fremder, der sich hinter einem Spind versteckt hatte, auf sie stürzte, ihr eine Tasche über den Kopf stülpte und sie hinten in einen Lieferwagen stieß!
Mittlerweile halte ich alles für möglich und gerate in Panik. Hilflos sehe ich mich auf dem Gang im Erdgeschoss um und versuche mich zu entscheiden, in welche Richtung ich als Nächstes laufen soll. Da sehe ich zwei
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